Im Auge des Feuers
schon seit gestern Urlaub hatte. Er war an diesem Wochenende zu einem Gewerkschaftstreffen gereist.
Langsam stieg sie die Stufen zum ersten Stock hinauf.
Vor Karls Bürotür blieb Rita unwillkürlich stehen und lauschte. Dort drinnen unterhielten sich zwei Personen.
Die Frau in Karls Büro schnurrte wie eine Katze – seidenweich, verführerisch und zugleich herrisch. »Ich wusste es schon, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Du bist ein Mann, der die Dinge nach seinem Willen durchzieht.«
Karl lachte, und Rita fand, dass es etwas gezwungen klang. »Diejenige, die wirklich etwas zustande bringt, bist wohl eher du.«
Es folgte eine kurze Pause, dann hatte sich Karls Tonfall eigenartig verändert. Rita hatte ihren Bruder noch nie so sprechen gehört: »Beispielsweise bringst du es fertig, einen Mann in den Wahnsinn zu treiben.« Karl atmete schnell. Leder knarrte. »Wunderbar, Gunhild.«
Es wurde still.
Minutenlang hörte Rita kein Geräusch. Nur das Surren in ihrem Kopf wurde lauter und lauter. Sie hätte fortlaufen wollen, aber ihre Beine waren bleischwer.
Dann hatte Karls Stimme wieder ihren normalen Klang. »Allerdings bist du auch außerordentlich fordernd.«
»Fordernd …? Ich fordere nur auf die gleiche Weise mein Recht, wie du deines gefordert hast.« Plötzlich war Gunhilds Stimme spitz geworden, aber dann lachte sie leise. »Das ist ja wohl nicht mehr als gerecht. Du willst sicher nicht, dass bekannt wird, dass wir uns hier treffen? Oder dass du die Geschäfte nicht ganz korrekt führst?«
Karl schien abrupt aufgesprungen zu sein. Seine Schritte polterten laut auf den Holzplanken. Rita wich unwillkürlich ein Stück zurück.
»Woher zum Teufel …?« Sie hörte, wie ihr Bruder die Worte wütend hervorzischte.
»Ist ja schon gut, reg dich nicht auf. Ich bin schließlich mit deinem Buchhalter verheiratet. Oscar erzählt mir so manches, das darfst du mir glauben.« Sie lachte wieder. »Du kannst beruhigt sein, ich werde nichts sagen. Es ist ja auch in meinem Interesse, dass du deine finanzielle Situation verbesserst. Wie auch immer du das anstellst.«
Es wurde erneut still.
»Komm her, Karl. Es tut so gut mit dir … Und dein Ring da ist fabelhaft. So ausgefallen.«
»Ich habe ihn aus den USA mitgebracht.« Karl prahlte viel zu gern.
»Männer sollten viel öfter Ringe tragen.« Gunhilds Stimme war wie Samt. Das Ledersofa knarrte wieder rhythmisch.
Kapitel 73
Rita konnte sich nicht mehr erinnern, wie sie aus dem Büro herausgekommen war.
Sie war nicht nur entsetzt darüber, dass ein begehrter und anspruchsvoller Junggeselle wie Karl ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte, noch dazu mit einer von Gunhilds Kaliber. Sie hatte zudem erkannt, dass hier irgendetwas vor sich ging. Da drinnen war soeben ein perfider Plan ausgeheckt worden.
Noch schlimmer war: Rita wusste nicht, wie sie Karl damit konfrontieren sollte. Sie wollte unter keinen Umständen zugeben, dass sie ihrem Bruder nachspioniert und an der Tür gelauscht hatte.
Nur das Ende dieser geheimnisvollen Sache war ihr bereits jetzt klar: Karl würde Gunhild gegenüber den Kürzeren ziehen. Allen anderen gegenüber trat er extrem selbstbewusst auf. Gunhild war die Einzige, die ihn an Egozentrik übertraf.
Rita fürchtete sofort um ihre eigene Zukunft. Karl war praktisch ihr Chef. Wenn sie ihn zur Rede stellte, würde er mit Genugtuung seine Macht demonstrieren. Vielleicht würde er sogar Ritas Stelle neu besetzen? Mit Gunhild? Rita wusste, dass Gunhild früher als Sekretärin gearbeitet hatte. Welche weitreichenden Folgen die heimlichen Pläne von Karl und Gunhild haben könnten, wagte Rita sich kaum vorzustellen.
Als sie endlich das Haus verlassen und sich eine Zigarette angezündet hatte, war sie nicht allein. Die beiden Eide-Brüder traten von hinten heran.
»Hallo, Fräulein Rita.« Die Alkoholfahne ließ keinen Zweifel daran, mit wem sie es zu tun hatte. Sie brauchte sich gar nicht erst umzudrehen. Angeekelt blickte Rita zur Seite und tat so, als höre sie nichts.
»Tu nicht so überlegen. Hast du so lange gearbeitet? Dein Vater verlangt viel von dir. Oder ist es vielleicht eher dein Bruder?«
Die beiden kicherten unisono und jetzt wandte sie sich wutentbrannt zu ihnen um. »Wer hat euch überhaupt die Erlaubnis gegeben, euch hier aufzuhalten?« Ihre Stimme bebte. Der Schock von vorhin saß ihr noch in den Gliedern.
»Na, na, na … Erlaubnis hin oder her. Wir schaden ja niemandem …«, begann Jens. Insgeheim
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