Im Auge des Feuers
fröstelnd um einen Scherz.
»Versuch bloß nicht, nachts um drei witzig sein zu wollen!«
Benjaminsen zuckte zusammen und drehte Eira ein geisterbleiches Gesicht zu. »Was ist denn mit dir los?«
Langsam fuhr Eira an der Reihe der Schaulustigen vorbei. »Die Aufgabe des Pyromanen, den die Kommunalverwaltung in den sechziger und siebziger Jahren angeheuert hatte, war es, denkmalgeschützte alte Holzhäuser zu beseitigen. Aber das Einkaufszentrum war bis heute Nacht ein moderner Bau wie aus dem Bilderbuch. Außerdem in Privatbesitz.« Eira stellte den Motor ab. »Lass uns mit den Feuerwehrleuten sprechen.« Er stieg aus und stellte sich neben einen Mann, der einige Jahre älter war als er selbst.
»Es scheint, als bekämen wir den Brand unter Kontrolle, bevor er sich ausbreitet«, beantwortete Brandermittler Sverre Wikan Eiras unausgesprochene Frage. »Glücklicherweise ist das Feuer im südlichen Ende des Gebäudes ausgebrochen. Im umgekehrten Fall stünde jetzt die ganze Häuserzeile in Flammen.«
»Wissen Sie etwas über die Person, die gefunden worden ist?«
Sverre Wikan schüttelte den Kopf. »Er muss schon tot gewesen sein, als die ersten Feuerwehrleute das Gebäude betraten. Man hat ihn noch nicht identifiziert. Der Arzt hat den Krankenwagen mit dem Toten direkt zur Pathologie geschickt. Hier vor Ort konnte nichts weiter unternommen werden.«
Eira sah sich erneut um. »Gott sei Dank stehen in diesem Viertel fast nur Geschäftsgebäude.«
»Das Grand Hotel ist in der Nähe, aber der Abstand ist immerhin so groß, dass wir eine Evakuierung nicht für nötig halten.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wie es zu dem Brand kommen konnte?«
Wikan schüttelte den Kopf. »Die Sprinkleranlage war nicht eingeschaltet, ich weiß nicht, ob sie überhaupt schon vollständig installiert war. Was mich wundert, ist, dass sich das Feuer so schnell ausgebreitet hat. Die brandtechnische Untersuchung wird uns weitere Informationen liefern.« Wikan nickte kurz. Eira begriff, dass Wikan das Gespräch damit für beendet erklärte. Wikan kehrte Eira seinen breiten Rücken zu und entfernte sich zu einem der Feuerwehrautos.
Eira steckte die Hände in die Taschen und musterte die Schaulustigen. Leicht fröstelnde Gestalten, die Gesichter bleich. Als der Brand sich in den Nachthimmel erhoben hatte, waren sie allesamt aus dem Nichts aufgetaucht. Eira blieb etwas abseits stehen und betrachtete sie, einen nach dem anderen.
Vielleicht war es tatsächlich das Werk eines Pyromanen. In diesem Fall stünde der Täter wahrscheinlich dort unter den vielenSchaulustigen und ergötzte sich am Anblick des züngelnden Feuers vor dem schwarzen Nachthimmel.
Eira war jetzt seit etwa einer Stunde vor Ort. Man hatte den Brand offensichtlich unter Kontrolle, aber auch nach Abschluss der Löscharbeiten würde noch einiges zu erledigen sein. Vor allem mussten technische Untersuchungen durchgeführt werden. Eira sah Sverre Wikan innerhalb der Absperrung umhergehen, Anweisungen geben, mit der Löschmannschaft sprechen. Langsam löste sich die Zuschauermenge auf. Die einzelnen Gestalten verschwanden in ihren Autos oder entfernten sich zu Fuß. Eira versuchte die Eindrücke einzufangen, sich Details zu merken. Ob jemand es vielleicht besonders eilig hätte oder sich möglicherweise eigenartig verhielt. Es gab nichts besonders Bemerkenswertes. Nur Eiras dumpfes Gefühl, dass er einer bestimmten Sache – oder einer bestimmten Person – auf die Schliche kommen musste. Und dass bislang noch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen.
Er holte die Schlüssel heraus und ging zum Auto.
Kapitel 9
Johan Fjeld lag im Bett, alle Lichter waren ausgeschaltet, seine Augen weit geöffnet. Er war Karl heute ein Stück gefolgt, dann aber abgebogen und mit der schockierenden Neuigkeit zu seiner Schwester Rita geeilt. Rita hatte ihm nicht geglaubt. Ihn glatt abgefertigt, sich geweigert, ihm länger zuzuhören, und behauptet, er habe ein Alkoholproblem. Dabei galt das zweifellos für sie .
Trotzdem hatte sie ihm einen Cognac angeboten. Schließlich hatte sie selbst schon einen vor sich stehen. Sie hatten vor dem Fernseher gesessen und auf den Bildschirm gestarrt, das Schweigen zwischen ihnen grenzte an Feindseligkeit. So war es immer schon gewesen. Rita behandelte ihn mit einer Arroganz, zu der nur wenige andere fähig waren. Wenn Johan bei ihr war, saß er immer wie auf Nadeln. Nicht ohne Grund war sie eine alte Jungfer geblieben, dachte er schadenfroh. Es gab keinerlei
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