Im Auge des Feuers
gemacht, als sein Handy plötzlich klingelte. Es war Sandvik, einer der durchtriebeneren Journalisten der Stadt. Eira klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter, während er unverdrossen weiterwickelte.
»Hören Sie, Eira.« Keine Einleitung oder Erklärung. »Per Andersen, dieser Mann, der bei dem Brand gefunden worden ist.« Pause.
»Ja?«
»Er ist drinnen verbrannt, nicht wahr? Bei dem Brand gestorben?«
Eira fiel der Haken auf den Boden. »Mist!«
»Das hab ich mir gedacht. Er war also nicht schon vor Ausbruch des Feuers tot. Außerdem hatte er sich mehr als genug hinter die Binde gekippt, stimmt’s?« Der Journalist schwieg kurz.
Eira seufzte. »Sie wissen verdammt gut, dass ich nicht …«
»Waren es mehrere? Zechbrüder?«
»Das geht aus der Obduktion nicht hervor.«
»Es gab wohl keine offensichtlichen Hinweise auf eine Schlägerei, oder? Verletzungen Fehlanzeige … Per Andersen war kein aggressiver Typ, war niemals in Handgemenge verwickelt. Also scheint der Brand die Todesursache zu sein.« Der Journalist fuhr noch eine Weile ungehemmt fort, seine Fragen selbst zu beantworten.
Eira schaltete auf Durchzug. Als Sandvik endlich wieder eine Atempause einlegte, fragte Eira: »Sonst noch was?«
»Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas in der Hand haben?«
Eira hatte keine Lust, das Gespräch weiter auszudehnen. »Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.«
Die Unruhe, die Eira schon vor Stunden befallen hatte, hielt an. Also konnte er genauso gut ins Büro zurückgehen. Eine halbe Stunde später saß er am Computer und tippte auf die Tastatur. Dermaßen wenig über Per Andersen zu finden war deprimierend. Eine Personenkennziffer. Keine Einkünfte. Eine einzige Aufzeichnung in den Archiven der Polizei. 1969 war Per im Zusammenhang mit dem Brand zu einer Vernehmung vorgeladen worden. Das Protokoll dazu befand sich wie andere Unterlagen aus dem Jahr 1969 in einer vergilbten Pappmappe. Ein kurzer Blick darauf hatte Eira nicht zu neuen Erkenntnissen verholfen. Jetzt schlummerte alles am Rand von Eiras Schreibtisch vor sich hin.
Eira ging zum Fenster und starrte hinunter auf die dunkle Straße. Es hatte zu schneien begonnen. Der Verkehr war nicht mehr so dicht. Die meisten Leute hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen.
Eira erspähte eine dunkle Gestalt an der Ecke des Folkets Hus. Zuerst glaubte er, dass sie auf Grün wartete, aber die Ampel sprangum, und die Person blieb stehen. Sie schien auf irgendetwas anderes zu warten. Unverwandt blickte sie zu seinem Fenster hinauf. Vor der Straßenlaterne hinter ihr war sie bloß eine dunkle Silhouette, auf so weite Entfernung nicht näher zu erkennen.
Eira zog sich vom Fenster zurück. Sah auf die Uhr. Halb elf. Niillas ging immer noch nicht an sein Handy.
Mit einer kalten, unbekannten Anspannung, die ihn nicht loslassen wollte, schaltete Eira das Licht aus und verließ sein Büro.
Kapitel 13
18. Oktober 2007
Im Laufe der Nacht waren fünfzehn Zentimeter Schnee gefallen. Viele hatten ihre Winterreifen noch nicht aufgezogen, und auf den Straßen herrschte Chaos. Für heute Morgen war ein Treffen mit den brandtechnischen Ermittlern angesetzt worden. Bei diesen Straßenverhältnissen würden sich wohl einige Teilnehmer verspäten. Eira, der in der Nordre Tollbugate wohnte, nur drei Gehminuten vom Polizeipräsidium entfernt, hatte den dicht fallenden Schnee zufrieden betrachtet. Ein guter Grund, nun doch seine Wanderstiefel hervorzuholen, die er sogleich hingebungsvoll mit Fett einschmierte. Dabei trank er frisch aufgebrühten Kaffee und malte sich für die nahe Zukunft einige phantastische Skitouren aus.
Die Küchentür ging auf und Niillas kam herein, das nasse, halblange Haar in Strähnen und die Augen wie schmale Striche in dem verschlafenen Gesicht. Vergangene Nacht war er erst nach zwei Uhr nach Hause gekommen, und das an einem gewöhnlichen Dienstag.
Abrupt blieb Niillas stehen.
»Biru beargalat!«, fluchte der Junge und fasste sich an die Nase. »Das hier ist eine Küche! Kein Schweinestall!«
Eira starrte ihn verblüfft an, dann sah er sich in der aufgeräumten Küche um. »Schweinestall? Es ist wohl vor allem mir zu verdanken, dass es hier immerhin noch so aussieht wie jetzt«, begann er.
»Glaubst du, es ist appetitlich, bei diesem Gestank zu essen?«
»Gestank? Na hör mal! Ich fette meine Winterstiefel …«
»Musst du die verdammten Stiefel hier drinnen fetten? Es stinkt nach Stall! Nach altem ranzigem Schaf!«
Eira schaute
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