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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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heute musste Berger es ausbaden.
    Sie wurde rot bis zu den Ohrläppchen. »Was soll das denn, Eira? Es wird ja wohl erlaubt sein, eine ganz normale Frage über unsere Erfolgschancen zu stellen.«
    »Schon gut, Berger. Wie viel Nutzloses tun wir im Laufe einer Ermittlung? Aber es muss erledigt werden, auch wenn mir klar ist, dass es halb sechs ist und du dir um diese Zeit gewöhnlich irgendetwasim Fernsehen ansiehst. Sport oder eine Soap, was weiß ich.«
    Berger blickte verärgert in seine Richtung. Er zwinkerte ihr zu.
    Eira war bis zum Ende einer Häuserzeile aus den frühen fünfziger Jahren gefahren, bremste und ließ den Motor im Leerlauf weiterlaufen. »Hier muss es sein.« Er deutete auf ein kleines Einfamilienhaus, von dessen hohem Fundament der Putz abblätterte, sodass der Moosbewuchs zwischen den Steinschichten sichtbar wurde. »Sie wohnt hier seit ihrer Jugend. Per Andersen ist in diesem Haus aufgewachsen.«
    Der Garten auf der Vorderseite war klein und überwuchert. Es gab keine spezielle Bepflanzung, aber entlang des Zauns wuchsen wilder Sauerampfer und Herkulesstauden. Unter dem frisch gefallenen Schnee waren sie jetzt gelb und schlapp und gaben dem dunkelroten Haus und seiner Umgebung eine herbe Nuance von Tristesse. Zwei von Magni Andersens Schürzen hingen steif gefroren auf der morschen Wäschespinne neben der Eingangstür. Rechts neben der Tür war ein Klingelknopf ohne Name. Eira drückte mit dem Zeigefinger darauf und drinnen summte es. Als keiner öffnete, drückte er noch einmal auf den Knopf.
    »Ja, ja, ich komme …!« Ihre Stimme brachte deutlich zum Ausdruck, dass sie keine faire Chance bekommen hatte, die Tür vor seinem zweiten Klingeln zu erreichen.
    »Das ist doch keine Art!« Die schlaffe Haut ihrer Wangen wackelte, als sie die Tür öffnete. »Ach ja, Sie, klar.« Es klang nicht wie ein Freudenausbruch.
    Magni Andersen stand wie festgewachsen in der Türöffnung, groß und wuchtig, und machte keine Anstalten, die beiden Ankömmlinge hereinzulassen. Die Diele hinter ihr war dunkel. Der gleiche Geruch nach Kampferdrops und Fett, den Eira zuvor schon bei ihr wahrgenommen hatte, strömte ihnen jetzt besonders intensiv entgegen. »Worum geht es?«
    »Wir haben ein paar Fragen zu Ihrem Sohn Per.« Eira versuchte, seine Stimme so sanft und freundlich wie möglich klingen zu lassen. »Wenn wir hereinkommen dürften?«
    »Sagen Sie mir eins.« Magni lehnte sich energisch vor. »Haben Sie eigentlich die leiseste Ahnung, wie es ist, jemanden zu verlieren, der einem nahestand? Na?« Das faltige Gesicht war nur ein paar Zentimeter von seinem entfernt. »Wissen Sie, wie das ist?«
    Eira war perplex. Er wich einen Schritt zurück. Was dieses Thema betraf, kannte er sich aus. Seine Mutter war gestorben, als er sechs gewesen war, und sein Vater hatte sich nach dem Tod seiner Frau der Flasche ergeben.
    »Vom Stehen hier kriegt man schon etwas kalte Füße.« Berger sagte hundertprozentig ehrlich, was ihr in ebendiesem Moment am meisten zu schaffen machte. Die Bemerkung zeigte Wirkung. Sie wurden ohne ein Wort hereingelassen und ins Wohnzimmer gewiesen.
    Es war, als passierte man durch die Tür die Schwelle zu den fünfziger Jahren. Alles einheitlich aus derselben Zeit, wie in einem Museum – die Stehlampe in der Ecke, die Radiotruhe, die so gut erhalten war, dass sie bei einer Auktion ein hübsches Sümmchen eingebracht hätte.
    »Ich hol den Kaffeekessel.« Magni Andersen verschwand in der Küche.
    »Man kann der Dame wirklich nicht unterstellen, dass sie in Sachen Einrichtung sklavisch jedem Modetrend folgen würde«, flüsterte Berger und sah sich um. »Hier ist seit Einar Gerhardsens Zeit als Ministerpräsident rein gar nichts Neues angeschafft worden.«
    Magni war mit dem Kaffeekessel und einer halbleeren Packung Marie-Keksen zurück. »Sie können dann jetzt fragen.«
    Eira hob die Tasse zum Mund, um Zeit zu gewinnen. Der Kaffee erinnerte an Moorwasser, das er ab und zu trank, wenn er keinen ordentlichen Bach fand. Dünne, lauwarme Brühe, die nachErde schmeckte. Er fühlte den Blick der Frau, die wie ein Tierweibchen bereit zur Verteidigung war, bohrend auf seinem Gesicht.
    »Per wohnt also noch hier?«
    »Wohnte.«
    Eira ärgerte sich über sich selbst. »Wir konnten keinen Schlüssel bei ihm finden.«
    Sie gab ein trockenes Schnauben von sich. »Er hat nie einen Schlüssel gehabt. Der hängt draußen an einem Haken an der Kellerluke. Das ist schon so, seit er ein kleiner Junge war. Er konnte

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