Im Auge des Feuers
Zweiten Weltkrieg. Die Anleger der Familie Fjeld am Hafen sind abgebrannt. Der älteste Sohn Karl war eines von zwei Opfern, die für tot erklärt wurden. Der zweite Tote war Oscar Wikan, Sverre Wikans Vater, der als Buchhalter bei Fjeld angestellt gewesen war. Sverre hatte eines derbrennenden Gebäude betreten und wäre um ein Haar ebenfalls ums Leben gekommen. Er war zusammen mit Per Andersen zur Brandstätte gefahren. Und nun Szenenwechsel: Der Hintergrund von Pers Tod vor wenigen Tagen ist noch ungeklärt, aber wahrscheinlich müssen wir den Bericht über den Brand von 1969 gründlicher durchgehen, um das Ganze besser einordnen zu können. Irgendwie scheinen sich die Ereignisse von damals auf die aktuellen Fälle auszuwirken. Viele Namen von damals beschäftigen uns heute wieder. Der gemeinsame Nenner ist Feuer . 1969 war die Ursache unbekannt. Dieses Mal findet man eine Flasche mit einem Stofffetzen darin. Per Andersen war bei beiden Bränden dabei. Er wusste mehr, als seine verwirrte Erscheinung vermuten ließ.«
»Kann er das Feuer gelegt haben?«
»Das ist natürlich möglich. Zu dem Geschehen von 1969 haben wir nur seine eigene Zeugenaussage. Per Andersen hat behauptet, dass er keinen in das Gebäude hineingehen oder herauskommen gesehen hat. Und zwar, weil das Feuer zu stark wurde und er sich deshalb zurückgezogen hätte.«
»Glaubst du, dass er sich die ganze Zeugenaussage ausgedacht hat?«
»Das wissen wir nicht, aber ich würde einen Monatslohn für die Antwort geben.« Eira blickte von einem zum anderen. »Etwas sagt mir, dass Per Andersen in der Tat gestorben ist, weil in seinen marinierten Gehirnwindungen Informationen lagen, von denen jemand fürchtete, sie könnten an die Oberfläche treten. Was dagegen Karl Fjeld hätte verraten können, ist mir weniger klar. Auch er hat ja all die Jahre vorher geschwiegen. Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er getötet worden ist, um zu verhindern, dass er redete.«
»Welche Gründe, ihn zu töten, sollte es denn sonst gegeben haben?« Berger sah Eira skeptisch ins Gesicht.
»Dadurch, dass er wieder da war, könnte sich etwas Entscheidendes verändert haben. Vielleicht gewisse Rollen? Oder Positionen? Jemand fürchtete wohl ziemlich ernsthaft, durch Karls Auftauchen einen Vorteil oder ein Privileg zu verlieren.«
»Genau das gilt ja in erster Linie für Johan. Karl war der Älteste der drei Geschwister. Johan wäre schlagartig entthront worden, sobald Karls Rückkehr bekannt geworden wäre. Und Rita wäre sozusagen von Platz zwei auf Platz drei gesunken.«
Eira nickte langsam. »Wir werden praktisch mit der Nase darauf gestoßen. Aber Vorsicht, wir sollten uns nicht unbedingt auf das augenfälligste Motiv beschränken.«
Kapitel 26
22. Oktober 2007
Kriminalkommissar Benjaminsen ging die Arbeit einmalig schnell von der Hand. Als sie sich am späten Nachmittag in Eiras Büro trafen, hatte er über eine Reihe von Fragen Klarheit gewonnen. Er hatte eine Übersicht über Karl Fjelds engsten Familienkreis erstellt, Informationen zur finanziellen Situation und zum beruflichen Werdegang der einzelnen Personen gesammelt sowie Auszüge aus dem Strafregister besorgt. Zudem war es Benjaminsen gelungen, Versicherungsunterlagen aufzuspüren, die sich auf Zahlungen nach dem Brand von 1969 bezogen.
Um seinen kurzgeschorenen Kopf zu lüften, war Benjaminsen zur Stadtbibliothek gelaufen und hatte sich einige Presseberichte aus den Tagen unmittelbar nach dem Brand angesehen. Eira kannte einen weiteren Grund für Benjaminsens Ausflug zur Stadtbibliothek: köstliche Sandwiches und frisch aufgebrühter Kaffee aus Helmersens Delikatessenladen, der zufällig direkt auf dem Weg lag.
»Tja, bis jetzt war nichts Besonderes zu finden«, murmelte Benjaminsen. Tomatensaft und Pesto tropften auf den vor ihm liegenden Papierstapel. Er fuhr mit dem Handrücken darüber. »Johan und Rita Fjeld haben jeweils ein sauberes Strafregister. Finanziell sind sie 1969 gut weggekommen. Der Betrieb war bis unters Dach versichert und wurde wieder aufgebaut. In den Medien wurde damals angedeutet, dass der Brand in gewisser Weise einen langjährigen Konflikt gelöst habe, nämlich die Frage nach der Stadtplanung im Hafengebiet. Bereits lange vor dem Brand hatte es vollständig ausgearbeitete Pläne für den Ausbau gegeben. Die ganzeGegend sollte abgerissen und neu aufgebaut werden. Die Pläne waren nie realisiert worden, weil die Familie Fjeld nicht zum Verkauf bereit gewesen
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