Im Auge des Feuers
war.«
»Genau die gleiche Geschichte wie heute«, nickte Eira nachdenklich. »Die Fjelds besitzen immer noch ein zentral gelegenes Grundstück mitten in der Stadt. Dort möchte man die Holzhäuser abreißen, damit ein neues, verflucht hohes Monstrum von einem Gebäude entstehen kann.«
»Könnte das ein Streitpunkt gewesen sein? Verkauf von Grundbesitz?« Berger hatte Benjaminsens Papiere durchgeblättert.
Benjaminsen schob einen weiteren Bissen seines Sandwichs in den Mund. »Tja, man muss sehen, ob es wirklich schlagkräftige Argumente dafür gibt. Fjeld senior ist bis 1969 unerschütterlich und vollkommen bockig bei seiner Haltung geblieben. Hat sich standhaft geweigert zu verkaufen und damit die ganze geplante Renovierung des Hafens verzögert. Jetzt dagegen sind die Geschwister Fjeld allem Anschein nach zum Verkauf bereit. Es sieht nicht so aus, als hätten Johan und Rita damit ein Problem.«
»Auf jeden Fall hatten Johan und Rita das Sagen. Bis Karl Fjeld plötzlich wieder auftauchte.« Eira klopfte mit dem Bleistift auf die Tischkante. »Was meint ihr? Wollte er vielleicht ein Wörtchen mitreden?«
»Ein bestechender Gedanke.« Berger hatte ihre Mahlzeit bereits beendet.
Eira nippte an seinem Kaffee. »Ich weiß trotzdem nicht so recht, was ich glauben soll. Johan wirkte auffallend gestresst. Irgendwie matt und ausgelaugt. Rita dagegen ist insgesamt überzeugender. Sie legt eine gehörige Portion Entrüstung, Entsetzen oder Abscheu an den Tag, je nachdem.« Eira zuckte mit den Schultern. »Entweder kann Rita besser schauspielern als ihr Bruder Johan oder Johan weiß etwas, wovon Rita nicht den blassesten Schimmer hat.«
Berger wirkte ungeduldig. »Das sind doch alles bloß Spekulationen. Wir sollten uns auf die Fakten konzentrieren.«
Benjaminsen war damit beschäftigt, ein Stück Tomatenschale aus den Zahnzwischenräumen zu pulen. »Hatte abgesehen von seinen nächsten Angehörigen jemand ein Motiv, Karl Fjeld umzubringen? Wohl kaum.«
»Woher in aller Welt sollen wir das wissen, Benjaminsen?« Abrupt stand Eira auf. »Karl Fjeld ist im Mai 1969 beerdigt worden. Besser gesagt, sein Name steht seitdem auf dem Grabstein. Wir haben andererseits eindeutig über Fingerabdrücke nachgewiesen, dass Karl Fjeld die Leiche vom Berghang ist.« Eira legte eine kurze Pause ein. »Leute, unser nächster Schritt gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsaufgaben. Aber so was ist nun mal ab und zu erforderlich: Wir müssen das Grab des angeblichen Karl Fjeld öffnen lassen. Vor allem benötigen wir eine DNA-Analyse desjenigen, der dort begraben liegt. Vielleicht kann man diesen Toten auch nach so vielen Jahren noch irgendwie identifizieren.«
Benjaminsen legte sein Sandwich weg. »Öffnen …?«
Eira nickte nur. »Zeit, deinen Nachwuchs vom Kindergarten abzuholen, Benjaminsen. Mach morgen weiter mit der Recherche. Wir müssen ja nicht alle gleichzeitig Überstunden machen.«
Kapitel 27
Eira setzte Berger vor ihrer Wohnung in Tromsdalen ab und wollte direkt nach Hause fahren. Es war sieben Uhr und schon längst dunkel geworden. Die Lichter der Stadt glitzerten im Wasser, als er die Brücke über den Sund entlangfuhr. Eira bemühte sich, mehrere Gedanken gleichzeitig im Kopf zu behalten. Er sortierte mühsam alles, was sie bislang über die Leiche ohne Kopf ermittelt hatten. Dann versuchte er sich zu erinnern, ob sein Kühlschrank zu Hause noch genügend Essbares bereithalten würde.
Hatte Niillas gesagt, ob er um diese Zeit zu Hause wäre? Falls ja, hieße das, dass ein Einkauf wohl unumgänglich war. Einen Moment lang war Eira völlig durcheinander. Die Fähigkeit, zwei oder mehrere Gedanken gleichzeitig zu verfolgen, war höchstwahrscheinlich eine ausgesprochen weibliche Eigenschaft. Berger gegenüber hatte Eira das natürlich noch nie erwähnt.
Bevor er Ordnung in seinem Kopf geschaffen hatte, war Eira vor seinem Haus angelangt und der Wagen auf dem schmalen gepflasterten Fleckchen vor der Haustür geparkt.
Aus der Stereoanlage im Wohnzimmer dröhnte Gitarrenmusik. In der Diele stand ein Paar Schuhe, das Eira noch nie gesehen hatte. Es waren Damenschuhe, die ihm augenblicklich sagten, dass die Besitzerin nicht dem Bevölkerungsdurchschnitt angehörte. Eiras Unmut wuchs, als er in die Küche kam. Ein angeschnittener Brotlaib lag auf der Arbeitsplatte und war offensichtlich dabei auszutrocknen. Das ärgerte ihn besonders, denn er hatte ihn selbst gebacken. Ein Jarlsberg-Käse lag daneben und wirkte ebenfalls
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