Im Auge des Feuers
Manche Menschen waren von Haus aus schuldbewusst und verängstigt, ohne jeden Grund. Sie schien das schwärzeste Gewissen der Welt zu haben, obwohl Eira keine Anschuldigungen gegen sie vorgebracht hatte.
Er erinnerte sich an Vennestads Aussage, dass das Gift sehr einfach herzustellen sei. Aber wie konnte man das beweisen und wer hatte es getan? Auf gut Glück zog er einige Schubladen heraus und öffnete verschiedene Schranktüren. Im Nachttisch stand eine leere Flasche Bourbon. Eira griff danach. »War das Karls Whiskey?«
Nancy bewegte tonlos die Lippen, bevor sie schließlich nickte. »Er trank abends manchmal. Also, früher … Einen Schluck, bevor er sich hinlegte.«
Eira rieb sich über die Nasenwurzel. Er nahm die Flasche an sich. Es bestand immer noch die Hoffnung, dass darin aufschlussreiche Überreste zu finden waren.
»Wir nehmen die Flasche mit, außerdem auch Nancys delikate Pastete sowie alles, was uns sonst noch aus der Küche interessiert.« Bevor sie protestieren konnten, war er schon fast aus dem Zimmer. »Ungeachtet dessen würden wir Ihnen dringend empfehlen, uns alles zu erzählen, was Sie über die Sache wissen. Damit wir nicht annehmen müssen, dass Sie uns bewusst Informationen vorenthalten.«
Kapitel 25
Eira ließ sich auf seinen Stuhl fallen und schälte sich aus der Jacke. Es war nach 22 Uhr und seine Nackenmuskeln schmerzten. »Lasst uns noch mal zusammenfassen, bevor wir Schluss machen«, sagte er und sah Henriksen verärgert an, der sich auf die Kante von Eiras Tisch gesetzt hatte. »Vennestad hat heute mitgeteilt, dass Karl Fjeld an einer akuten Nikotinvergiftung gestorben ist. Damit meint er keinesfalls, dass Karl Fjeld zu viel geraucht hätte. Fjeld hat reines Nikotin zu sich genommen. Oder genauer gesagt, jemand hat dafür gesorgt, dass er es zu sich nahm. Wir wissen noch nicht, wie es passiert ist oder wer es getan hat.«
Eira öffnete die Mappe zum Fall Fjeld und blätterte darin. »Wir wissen nur, dass er kurz vor seinem Tod Schneehuhnpastete und grobes selbst gebackenes Brot gegessen sowie Kaffee getrunken hat. Eine Mahlzeit, die wahrscheinlich Nancy Larsen, Johan Fjelds Haushälterin, zubereitet hat. Die Frau ist im Übrigen total verschreckt und so mitteilsam wie ein Laternenpfahl. In Fjelds Nachttisch habe ich eine leere Whiskeyflasche gefunden. Nancy erzählt, dass Karl vor dem Schlafengehen gerne mal einen Drink zu sich nahm. Sie achtet sorgfältig darauf, alles, was sie über Karl sagt, in die Vergangenheit zu verlegen, und will nicht zugeben, dass sie Karl kürzlich begegnet ist.«
»Karl verbringt also den Tag zusammen mit Bruder und Schwester und isst von der Haushälterin zubereitetes Essen.« Die Pizza war eingetroffen und Benjaminsen sprach wie gewöhnlich mit vollem Mund. »Dann nimmt er auf der Bettkante einen Drink und am nächsten Morgen findet man ihn tot. Versuchen sie das zu verheimlichen?«
»Nicht schlecht, Benjaminsen. Du hast es erfasst. Das ist ein absolutplausibles Szenario.« Eira grinste ironisch und blätterte ungeduldig weiter.
»Jemand hat also versucht, Karl Fjeld einen schnellen Tod zu bereiten.«
»Wir wissen nicht, ob das Essen, das er zu sich genommen hat, vergiftet war. In diesem Fall hätte er es unmittelbar vor dem Zubettgehen gegessen haben müssen.« Eira drehte den Stift zwischen den Fingern. »Wie ich Vennestad verstanden habe, ist der Tod in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober eingetreten, irgendwann zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens.«
»Die Vergiftung erfolgte also höchstwahrscheinlich zu Hause bei Johan, wo Karl in seiner Jugend gewohnt hatte und wo sein Zimmer immer noch so war, wie er es verlassen hatte.« Polizeidirektor Hagen hatte seine Beobachterrolle aufgegeben und überraschte die Runde mit einem seiner seltenen Einwürfe.
»Höchstwahrscheinlich.«
»Und Motive für den Mord?«
»Ebendie lassen sich absolut nicht fassen. Nach achtunddreißig Jahren Abwesenheit wird jemand sofort nach seinem Auftauchen umgebracht.« Eira erhob sich und ging zur Tafel, an die er die Bilder gepinnt hatte.
»Wir müssen die Berührungspunkte mit dem Fall Per Andersen unter die Lupe nehmen«, sagte Eira langsam. »Es gibt Querverbindungen. Per Andersen und Karl Fjeld tauchten viel früher schon mal gemeinsam in einer Akte auf.« Er wandte sich erneut den Versammelten zu. »Ich meine die Unterlagen zum Stadtbrand von 1969. Ich habe einige der Berichte durchgesehen. Das war der größte Brand in Skandinavien nach dem
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