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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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stand ein schmaler Kleiderschrank, in dem er wohl seine Sachen verstaute. Allein das Namensschild an der Tür verwies auf seine Person. Ordnung und Effektivität. Das waren die Signale, die er aussandte, falls jemand im Zweifel sein sollte, wofür er stand.
    Eira räusperte sich. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir helfen.«
    Sverres unzählige Falten am rechten Augenwinkel zogen sich zusammen und Eira wurde für den Bruchteil einer Sekunde taxiert. »Ich? Wie?«
    »Per Andersen ist bei dem Brand umgekommen. Jetzt ist seine Mutter ermordet worden. Was glauben Sie, Sverre? Gibt es irgendeinen Zusammenhang?«
    Sverre sah plötzlich verblüfft aus. »Das fragen Sie mich ? Ich bin Feuerwehrmann, kein Polizeiermittler.«
    »Brandermittler, das ist kein so großer Unterschied.«
    »Kommen Sie zur Sache, Eira. Ich gewähre Ihnen großzügig Zeit, nur weil ich dachte, dass Sie etwas Wichtiges auf dem Herzen hätten. Womit kann ich Ihrer Meinung nach behilflich sein?«
    »Ich komme ständig auf den Brand von 1969 zurück. Per war dort. Das Gleiche gilt für Sie, Sverre. Aber weder Sie noch Per waren damals als Zeugen sonderlich brauchbar. Hat denn wirklich keiner von Ihnen etwas gesehen?«
    »Entschuldigung, Eira«, unterbrach Wikan schroff. Sein Blick war finster geworden und der schmale Mund sah aus wie eine straff gespannte Schnur in seinem zerfurchten Gesicht. »Worauf wollen Sie mit alldem hinaus? Was hat die alte Geschichte mit den aktuellen Ermittlungen zu tun?«
    »Genau das möchte ich gerne von Ihnen wissen.«
    »Also wirklich! Soll ich Ihnen das Szenario etwa im Detail beschreiben?« Zum ersten Mal sah Eira Sverre Wikan in einem Zustand, der an emotionale Erregung erinnerte. »Was glauben Sie, was ich in der alten Brandfalle erlebt habe? Ich war in einem Gebäude voller Rauch. Die Flammen haben sich von allen Seiten herangefressen. Es gab keine Luft zum Atmen.« Er sprach rasend schnell. »Alles, woran ich gedacht habe, war, mich lebendig dort herauszuschleppen, und ich erinnere mich nicht daran, wie ich das geschafft habe. Was Per vor dem Haus gemacht hat, war damals – und ist auch jetzt – ohne jede Bedeutung für mich!«
    Eira bewegte sich vorsichtig auf seinem Stuhl. Er war sich gerade bewusst geworden, dass er eine Grenze übertreten haben musste. Schweigend trank er von dem starken Kaffee, den Wikan ihm serviert hatte, und wartete, bis dieser seine Balance wiedergefunden zu haben schien.
    »Es wundert mich immer mehr, dass Sie später nicht miteinander darüber gesprochen haben.«
    »Sie haben ja keine Ahnung, Mann!« Jetzt hatte Wikan die Stimme zu einem wütenden Zischen gesenkt. »Ich stand unter Schock. Ich hatte geglaubt, ich würde sterben. Mein Vater ist da drinnen verbrannt. Meinen Sie, ich hätte das Bedürfnis verspürt, das Ganze mit einem Einfaltspinsel wie Per Andersen zu diskutieren? Sie verstehen, worauf ich hinauswill: Ich habe keinen Anlass, darüber zu sprechen. Es gibt nämlich niemanden, der die Fragen beantworten könnte, die unbeantwortet sind. Verlieren Sie mal Ihren Vater als Jugendlicher.«
    Eira hätte eine passende Antwort parat gehabt. Aber seine eigene Jugend durfte hier keine Rolle spielen. Er spürte, wie Sverre Wikan sich verschloss, sich zurückzog. Es schien plötzlich offensichtlich, warum er so wenig lächelte. Die Erinnerungen waren immer noch wie offene Wunden, und Sverre war nicht imstande, sie zu berühren. Eira versuchte es aus einer anderen Perspektive.
    »Hören Sie, wir können momentan das, was damals passiert ist, nicht in unsere Ermittlungen miteinbeziehen, weil wir noch nichts Verwertbares haben. Wir haben gute Gründe dafür. Sie wissen natürlich, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Mann, der in Tromsdalen, ganz in der Nähe der Rotkreuzhütte, gefunden worden ist, Karl Fjeld ist.«
    Wikan starrte aus dem Fenster. Sein Gesicht verriet nichts, weder, was er dachte, noch, was er fühlte. »Das ist ja vollkommen abwegig«, sagte er und schüttelte verzagt den Kopf.
    »Wir haben Beweise, ohne dass ich ins Detail gehen kann.«
    »Wer ist dann der, der beerdigt worden ist und den man die ganzen Jahre für Karl Fjeld gehalten hat?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Beruhigend.«
    Eira seufzte unhörbar. »Ist es vorstellbar, dass jemand glaubte, Per habe wichtige Informationen? Er könnte etwas ausplaudern, das für irgendjemanden Folgen gehabt hätte? Als Per umgebracht wurde, war Karl Fjeld nach fast vierzig Jahren gerade wieder in der Stadt aufgetaucht.

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