Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
sagte er
immer wieder, daß ihn seine Frau bald wiederaufnehmen würde.«
    »Wie lange wohnte er in der Hütte?«
    »Ein paar Monate. Er zog etwa zu der
Zeit ein, als ich auf die Insel kam.«
    »Warum hat ihn seine Frau eigentlich
hinausgeworfen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht weiß Denny
darüber Bescheid. Sie haben ein paarmal in der Woche zusammen Karten gespielt
und was getrunken.«
    Ich setzte meine Kaffeetasse ab. Ich
wußte, wo ich Denny finden konnte — unter der Comics-Seite der Sonntagszeitung
auf der Wohnzimmercouch.
     
    Als ich ins Wohnzimmer kam, war Sams
Sessel leer. Als einziges war Dennys Schnarchen zu hören. Einen Augenblick
überlegte ich, ob ich ihn in Ruhe lassen sollte, doch dann fand ich, daß meine
Fragen wichtiger waren als sein Schönheitsschlaf. Außerdem lag er schon seit
über einer Stunde so da. Ich legte eine Hand auf seinen locker herabhängenden
Arm und schüttelte ihn sanft. »Hm? Hu? Marianne?« sagte er.
    »Ich bin’s, Sharon.«
    Er hob den Kopf, und die Comics-Seite
glitt von seinem Gesicht, das sich verzogen hatte wie das eines protestierenden
Babys. »Mein Gott«, sagte er. »Ich dachte, Sie seien meine Exfrau.« Er schwang
die Füße auf den Boden und richtete sich auf. Ich setzte mich neben ihn. »Aber
ich hätte es besser wissen müssen. Sie hätte mich nämlich wachgetreten.«
    »Der brutale Typ?«
    »So ungefähr. Wie spät ist es?«
    »Viertel nach drei.«
    »Mein Gott, ich bin wirklich
weggesackt.«
    »Sind Sie wach genug, um ein paar
Fragen zu beantworten?«
    »Ja. Aber wieso sind Sie nicht im — «
    »Weil ich vollkommen in Ordnung bin. Im
Augenblick versuche ich, mehr über Max Shorkey herauszufinden. Er lebte von
seiner Frau getrennt. Wissen Sie, warum?«
    »Das übliche: Sie erwischte ihn mit
einer anderen und warf ihn raus. Kurz darauf hatte sie es dann mit einem seiner
Freunde.«
    »Aber Max schien zu glauben, daß er
bald wieder zu ihr zurückkommen könnte.«
    »Das bildete er sich ein, weil er sonst
das Leben in der Holzhütte nicht ertragen hätte.«
    »Sie glaubten es nicht?«
    »Nein. Der neue Freund seiner Frau war
kein Verlierer, wie Max behauptete, sondern besaß ein Restaurant im Porkpie
Tract und hatte eine Menge Geld.«
    »Wie heißt er?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber sein
Restaurant nennt sich ›Water Witch‹.«
    Ich machte mir in Gedanken eine Notiz,
um diese Information später an Benjamin Ma weiterzugeben. Obwohl es eine Spur
in dem Mordfall sein konnte, war ich doch nicht sehr glücklich darüber. Mir
gefallen ordentliche Fälle, wo alle losen Fäden sauber verknüpft sind, und wenn
Max’ Mörder zu einer Dreierbeziehung gehörte, schwächte das die Theorie, die
ich aufzustellen versuchte.
    »Laut Stephanie haben Sie öfters Karten
mit ihm gespielt.«
    »Ja, er war ein interessanter Bursche.
Für einen Kleinstädter ohne viel Erziehung wußte er eine Menge.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Er kannte sich mit Booten aus, in
Naturkunde. Beim Militär war er viel herumgekommen. Ich kam gut mit ihm aus,
besser als mit Neal oder Evans.«
    »Sie mögen sie nicht besonders?«
    »Ach, Evans ist in Ordnung. Aber er
redet immer bloß vom Essen und ich immer vom Abnehmen.« Er klopfte anzüglich
auf seinen Bauch.
    »Und Neal?«
    »Neal ist schlecht. Er versucht,
Freundschaften zu erkaufen. Die meine will er seit fünf Jahren haben, seit er
in San Francisco ein großes Haus kaufte und mich anheuerte, um es zu
renovieren. Das Problem ist, daß er nicht weiß, was Freundschaft eigentlich
heißt. Für mich zum Beispiel ist es ein Vertrag. Man kommt dem anderen fünfzig
Prozent entgegen. Natürlich nicht ständig. In manchen Jahren investiert man
achtzig Prozent und der andere nur zwanzig und umgekehrt. Am Ende gleicht es
sich aus.«
    Mir gefiel diese Vorstellung, so schien
es auch in meinem Leben zu funktionieren, ohne daß es mir bewußt war. »Aber
Neal hält sich nicht an den Vertrag?«
    »Nein. Er weiß nicht mal, daß er
existiert. Entweder nützt er Sie aus, und er gibt für Sie verschwenderisch viel
Geld aus und tut alles mögliche für einen. Wie das Essen und der Wein hier — für
alldas bezahlt er, und für die meisten anderen Ausgaben kommt er auch auf. Aber
das ist nur seine Methode, Einfluß auf einen zu nehmen, damit man ihm dann um
so mehr verpflichtet ist.«
    »Und trotzdem sind Sie hergekommen.«
    »Natürlich. Ich brauchte einen Job, und
ich gehe dorthin, wo es Arbeit gibt. Außerdem kauft Neal nur mein Können und
meine Zeit. Kein Mensch

Weitere Kostenlose Bücher