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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Gesicht,
antwortete aber: »Klar.«
    »Mach ein paar Zeichnungen von ihm: Mal
alles, an das du dich erinnern kannst.«
    »Du meinst, wie diese Polizeizeichner,
die Zeichnungen von Verdächtigen machen müssen, die irgendein Zeuge beschreibt?«
    »Genau so.«
    »In Ordnung.« Er riß das Blatt mit den
Sauriern vom Block ab. »Ich fange sofort an.«
    Ich stand auf. »Vielen Dank. Ich komme
später wieder, um sie zu holen.«
    Ehe ich bei der Tür war, rief er
zögernd: »Tante Sharon?«
    »Ja?«
    »Ich hasse Evans nicht und auch Mom
nicht, weißt du. Es ist nur... Mir fehlt bloß das Leben auf der Farm...«
    »Ich weiß. Ach, übrigens, Andrew, warum
läßt du das ›Tante‹ nicht weg? Du bist alt genug, um mich nur Sharon zu
nennen.«
    Er lächelte scheu vor Freude und beugte
seinen Kopf über den Zeichenblock.
     
    Auf dem Weg hinauf verspürte ich
plötzlich ein schwaches, aber bohrendes Hungergefühl, und deshalb wandte ich
mich in Richtung Küche. Wie beim erstenmal, als ich den Raum betrat, saß
Stephanie am Tisch und rauchte und trank Kaffee, die Seite mit den
Kleinanzeigen der Sonntagszeitung vor sich ausgebreitet. »Soso«, bemerkte sie,
»die verloren Geglaubte hat sich von ihrem Schmerzenslager erhoben...«
    Mir war nicht ganz klar, was sie mit
dieser Bemerkung beabsichtigte, und so nickte ich nur und ging zum Kühlschrank.
Viel frisches Gemüse lag darin, ein paar teuer aussehende Flaschen kühlten im
unteren Fach, und eine Schüssel mit eingelegtem Fleisch stand da. Doch ich
konnte nichts finden, was sich für einen kurzen Imbiß hätte verwenden lassen.
Während ich die Tür zuwarf, dachte ich, daß es noch ein Gebiet gab, bei dem die
Ausgaben nicht zu stimmen schienen: beim Essen.
    Stephanie beobachtete mich. »Ziemlich
kärglich, was?«
    »Ja. Ich bin halb verhungert und nichts
zu naschen da.«
    »Versuchen Sie’s in der Anrichte. Ich
glaube, da hat es Cracker.« Ich ging durch die Tür, auf die sie wies, in eine
altmodische Anrichte, wie sie früher für einen Butler eingerichtet wurden. Auf
einem Regal in Augenhöhe lag eine Schachtel Triscuits. Ich nahm eine Handvoll
heraus, dann zuckte ich die Achseln und nahm die ganze Schachtel mit. Als ich
in die Küche zurückkam, schenkte mir Stephanie gerade eine Tasse Kaffee ein.
Das konnte bedeuten, daß sie mir wegen des Verlusts des Motorboots nicht mehr
grollte. Trotzdem begann ich: »Ich möchte mich entschuldigen, weil — «
    »Ist nicht Ihre Schuld.«
    »Wegen des Bootes, meine ich.«
    »Ist nicht Ihre Schuld. Max hätte Sie
bei dem sich zusammenbrauenden Sturm nicht weglassen dürfen. Aber keiner von
Ihnen beiden konnte wissen, daß er ermordet würde und Sie beinahe ertrinken
würden. Denken Sie nicht mehr dran!«
    Ich setzte mich zu ihr an den Tisch und
knabberte ein Triscuit. »Wie ich hörte, hatten Sie eine Auseinandersetzung mit
Angela.«
    »Sie war gemein wie immer. Ich mag
nicht drüber reden.«
    »Eigentlich habe ich ein paar ganz
andere Fragen auf dem Herzen. Wie viele Leute haben Zugang zum Bootshaus?«
    »Wir alle. Und Max auch. Aber es ist
immer abgeschlossen. Denny und ich haben einen Schlüssel. Und Max hatte einen.
Außerdem gibt es zu allen Schlössern Reserveschlüssel, die in der Anrichte
hängen.«
    »Können Sie mir etwas über Max
erzählen?«
    »Er stammte aus Walnut Grove. Hat dort
sein ganzes Leben lang gelebt. Er war verheiratet und hat ein paar erwachsene
Kinder, soviel ich weiß.«
    »Wer hat ihn eingestellt?«
    »Max hat immer die Fähre für Stuart
Appleby gefahren und gewartet. Als Neal die Insel kaufte, fand er, es sei
besser, Max zu halten, weil er die Fähre reparieren konnte. Und da der alte
Stuart ihm ein bißchen Geld hinterlassen hatte, war Max bereit, auch für
geringen Lohn zu arbeiten. Dann warf ihn seine Frau hinaus, und er war froh, in
der Hütte Unterschlupf zu finden.«
    Wieder beschäftigte mich die Frage,
warum Max in der Hütte gewohnt hatte und nicht ins Herrenhaus gezogen war. Ich
fragte Stephanie deswegen.
    Sie zuckte mit den Achseln und langte
nach einer Zigarette. Ihre schlanken Finger — schön geformt, aber mit ein paar
Narben, wahrscheinlich entstanden durch ihre lebenslange Arbeit mit Booten — spielten
mit dem Bic-Feuerzeug. Sie wartete, bis sie sich die Zigarette angezündet
hatte, ehe sie antwortete. »Er wollte dort bleiben. Er mochte das Herrenhaus
nicht. Als wir ihm ein Zimmer anboten, lehnte er ab. Vielleicht aus
Aberglauben. Stuart Applebys Selbstmord gefiel ihm nicht. Außerdem

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