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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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dem Boden, weil die Installation tropft, Schornsteine
sind nicht gekehrt, und mit dem Elektrischen stimmt es auch nicht. Sie wollen
zur Segelsaison eröffnen — aber wo ist der Hafen?«
    »Das Wetter — «
    »Haben Sie schon irgendwelche Baupläne
dafür gesehen?«
    »Nein, aber — «
    »Was ist mit den Arbeitern. Wer baut
ihn?«
    »Die Arbeiter sind gegangen. Das wissen
Sie.«
    »Warum sind nicht mehr Leute
eingestellt worden?«
    Angela nahm einen Bleistift und hielt
ihn zwischen zwei Fingerspitzen. Ihre Nägel waren in einem seltsamen,
unfreundlichen Purpur lackiert.
    »Und noch etwas — der Computer«, fuhr
ich fort. »Sie erzählten mir, Neal wollte ihn haben, weil er verrückt auf
Technik ist. Mir ist noch nie jemand begegnet, der alles andere ist als das. Er
gehört eher in ein früheres Jahrhundert.«
    Die Spitze des Bleistifts brach ab. Sie
betrachtete den Stift und schleuderte ihn durchs Zimmer. »Verdammt! Begreifen
Sie eigentlich, wie schwierig es ist, so ein Projekt zu koordinieren? Vor allem
wenn man es mit Idioten zu tun hat, die von Finanzen überhaupt nichts
verstehen. Ich brauchte den Computer unbedingt, um diesen Job überhaupt machen
zu können.«
    »Warum haben Sie den Kauf dann auf Neal
geschoben?«
    »Weil kein Mensch hier begreift — Sie
eingeschlossen — , wie dringend ich ihn brauchte. Ich habe so getan, als wollte
Neal es, daß ich ihn kaufte, damit die anderen mir nicht im Nacken saßen. Sie
sind alle mißgünstig, weil nicht genug Geld für die Dinge da ist, die sie für wichtig halten.«
    »Wie zum Beispiel das Dach zu decken
oder die Installation und die Lichtleitung zu reparieren.«
    »Na gut.« Angela stand auf und
verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe genug von Ihren Beleidigungen.
Sie haben keine Vorstellung, was für Probleme sich mir in den Weg stellen,
warum — «
    Ein heller Ton erklang wie der einer
Dinnerglocke. Er kam aus dem Gang und war schwach, aber deutlich zu hören. Angela
neigte den Kopf. »Verdammt, das ist mein ehrenwerter Großvater.«
    »Neal sagte, er sei krank und liege im
Bett.«
    »Ja. Der alte Dummkopf fuhr mit dem
Laster im Regen hierher. Unterwegs hatte er einen Plattfuß und mußte ihn
flicken. Er wollte auch den Arzt nicht sehen, als er kam, um Sie zu behandeln.
Großvater hat einen Horror vor Ärzten. Und jetzt ist er krank. Er liegt im
Zimmer zwischen meinem und dem von Patsy und Evans, und den ganzen Tag renne
ich zu ihm und gebe ihm Aspirin und Suppe — «
    »Warum ist er hergekommen?«
    »Weil er Chinese ist.«
    »Was?«
    »Weil er Chinese und daher
überfürsorglich ist. Er muß als Vertreter der großen Familie Won handeln und
seine Enkelin schützen.«
    »Vor was?«
    Sie war so wütend, daß sie mich ein
paar Minuten begriffsstutzig anstarrte.
    »Vor was muß er Sie schützen?«
    »Natürlich vor dem Sturm. Vor was
sonst?« Ihre eine Hand fuhr in die Höhe, und ich hatte das Gefühl, daß sie nahe
daran war, die Beherrschung zu verlieren und wieder mit etwas um sich zu
werfen. Außerdem spürte ich, daß sie mir nicht die ganze Wahrheit erzählte.
    Die Glocke läutete wieder,
nachdrücklicher.
    »Ich habe noch ein paar Tabletten, die
der Arzt dagelassen hat. Ich brauche sie nicht mehr, weil ich mich besser
fühle. Ich werde sie Ihnen holen. Vielleicht nützen sie Ihrem Großvater etwas.«
     
     
     

13
     
    Ich lieferte die Tabletten bei Angela
ab und ging den Gang entlang zu Patsys Zimmern. Nur Andrew war da, aber das
paßte mir ausgezeichnet. Denn mit ihm hatte ich mich sowieso unterhalten
wollen. Er saß im Bett, einen großen Zeichenblock auf dem Schoß, und zeichnete
mit fahlen Filzstiften unheimlich saurierähnliche Geschöpfe. Sie erinnerten an
die Illustrationen der Comic-Bücher, die er so liebte, und waren für einen
Elfjährigen technisch gesehen gar nicht einmal so schlecht.
    »Gut, daß du dir nicht den rechten Arm
gebrochen hast, was?«
    Er sah überrascht hoch. »Ma sagte, du
würdest den ganzen Tag im Bett bleiben.«
    Ich setzte mich auf die Bettkante. »Was
beweist, daß auch Mütter nicht alles wissen.«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Wieso bist du im Bett?«
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Na ja, es ist kein schlechter Ort. Es
gab Zeiten, da habe ich ganze Tage im Bett verbracht, obwohl ich gar nicht
krank war.«
    »Tatsächlich? Und was hast du da
getan?«
    »Gelesen. Ferngesehen. Geschlafen.« Das
war eine für Kinder leicht gereinigte Fassung jener vergnügten, faulen Tage.
»Aber gezeichnet habe ich nicht.

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