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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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er
tot war.«
    »O doch. Warum glaubst du, habe ich
keine Schwierigkeiten gemacht, als ich mit den Mädchen hinaufgehen sollte,
damit du und deine Erwachsenen ihre verdammte Erwachsenenkonferenz abhalten konnten?«
    Ich schwieg, die Finger immer noch fest
gefaltet.
    »Glaubst du, ich bin blöd?«
    Ich ignorierte die Bemerkung. »Wußten
Kelley und Jessamyn es auch?«
    »Ich habe es ihnen nicht gesagt, ich
wollte sie beschützen. Ich habe es niemandem erzählt.«
    »Und ich wollte dich beschützen«, sagte ich. Andrew wirkte nicht überzeugt doch seine Feindseligkeit
ließ nach. »Gehen wir in die Küche und reden wir darüber.«
    Wir setzten uns an den Küchentisch, der
voller Essensreste war. Eine aufgeregte Unterhaltung klang aus dem Wohnzimmer.
Der Orkan heulte hier noch lauter.
    »Okay«, sagte ich. »Warum glaubst du,
daß Mr. Won ermordet worden ist?«
    »Weil ich den Mörder gesehen habe.«
    Ich straffte mich. »Wann?«
    »Als der Sturm richtig losbrach. Gegen
fünf oder halb sechs.«
    »Wo?«
    »Er kam aus Mr. Wons Zimmer. Ich hatte
die Zeichnungen gemacht, die du haben wolltest, und war unterwegs, um sie dir
raufzubringen. Die Person trat aus dem Zimmer — «
    »Wer war es?«
    »Es war dieselbe, der ich schon mal
gefolgt bin.«
    Ich schwieg und überlegte, ob Andrew
nur ein Opfer seiner zu regen Phantasie war, die ich noch angeheizt hatte,
indem ich sein Zeichentalent für meine Nachforschungen eingespannt hatte.
»Wirklich«, beharrte Andrew, »ich habe ihn gesehen, aber nicht sehr deutlich.
Es war schrecklich dunkel im Gang. Er verschwand in der Bar.«
    »Bist du ihm gefolgt?«
    »Diesmal nicht. Wer immer es ist — er
kennt sich aus. Und bedenke, was mir beim letztenmal passiert ist.« Er klopfte
auf seinen Gips.
    »Was hast du dann getan?«
    »Ich ging in Mr. Wons Zimmer. Ich
wollte dich holen, wie du mir das geraten hattest, aber Mr. Won ist... war so
ein netter, alter Mann, und ich wollte mich überzeugen, ob er in Ordnung war.
Bevor er richtig krank wurde, hat mich Evans mit Tee zu ihm geschickt, und er
hat sich mit mir unterhalten und mir versprochen zu zeigen, wie man chinesische
Schriftzeichen malt. Ich mochte ihn...« Andrews Mund begann zu zittern.
    »Erzähl, was du im Zimmer entdeckt
hast«, sagte ich rasch.
    »Er lag im Bett, ein Kissen auf dem
Gesicht. Ich nahm es weg. Er war tot. Eine Freundin von Mom ist mal bei uns zu
Hause gestorben, deshalb weiß ich, wie Tote aussehen.«
    Patsy hatte mir nie davon erzählt,
aber, wie ich entdeckt hatte, gab es viele Dinge, die ich von meiner Schwester
nicht wußte. »Und weiter?«
    »Ich wußte sofort, was los war. Ich
habe im Fernsehen eine Menge Krimis gesehen und weiß, daß man jemanden mit
einem Kissen ersticken kann.«
    »Und was tatest du dann?«
    »Ich wollte dich holen. Aber dann
tauchte Mom im Gang auf und sagte, ich sollte auf die Mädchen aufpassen. Ich
wollte ihr keine Angst machen... nun, ich denke immer, ich sollte die Leute
beschützen, genau wie du.«
    »Du hast dich also um deine Schwestern
gekümmert?«
    »Ja. Mom kam gerade zurück, als das
Licht ausging. Danach war sie nicht gerade in Hochform.«
    »Und Evans?«
    »Er war sicherlich in der Küche.«
    »Sagte deine Mutter, wohin sie wollte,
als sie dich bat, auf die Mädchen aufzupassen?«
    »Nein.«
    »Hast du sonst jemanden unten gesehen?«
    »Nein.«
    »Irgend etwas gehört?«
    »Nein.«
    »Und die Zeichnungen, die du mir zeigen
wolltest?«
    Er sah mich einen Augenblick
verständnislos an. »Komisch«, sagte er dann, »ich hatte sie dabei, als ich Mr.
Wons Zimmer betrat, aber danach erinnere ich mich nicht mehr an sie. Ich muß
sie fallen gelassen haben. Jedenfalls weiß ich, daß ich das Kissen fallen ließ.
Ich war ziemlich durcheinander.«
    Als Angela und ich Tin Choy Wons Leiche
entdeckten, hatten keine Zeichnungen dagelegen. »Kannst du sie noch mal
machen?«
    »Vermutlich schon.«
    »Versuch es!« Ich zögerte, dann stellte
ich meine letzte Frage. »Warum hast du mir später nicht von Mr. Won erzählt,
Andrew?« Er blickte weg. »Vermutlich, weil ich beleidigt war. Ich merkte, daß
du alles wußtest. Es konnte für diese blöde Erwachsenenkonferenz keinen anderen
Grund geben. Ich war wütend, weil du mich wie einen kleinen Jungen behandelt
hast.«
    »Bitte, sei nicht wieder unvorsichtig.
Wenn du irgend etwas Seltsames entdeckst — irgend etwas — , dann komm sofort zu
mir.«
    »Okay.« Er warf einen Blick über die
Schulter, in Richtung der lauten Unterhaltung, die zu uns

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