Im Auge des Tribuns: Ein Kriminalroman der etwas anderen Art... (German Edition)
Swetlanokowa auf ihn hinunter. „Wenn Sie wollen“, und ihre Stimme klang mit einem Mal sanft und verständnissvoll, „ich kann machen, dass es aufhört …“
„Das ist es nicht, aber …“, frech grinsend sah Horn nun auf, „Ihre Männer schlagen zu wie kleine Mädchen! Was ist das hier?“ Und in hohem Bogen spuckte er der Kommandantin einen herausgebrochenen Backenzahn vor die geputzten Stiefel. „Der Russen-Pussy Club?“
„Hoffnungslos …“ Seufzend ließ Swetlanokowa sich zurück auf ihren Stuhl sinken. „Dawaj!“, befahl sie dann gelangweilt.
Wie lange würde diese Farce hier eigentlich noch so weitergehen? Die Befragung beziehungsweise Folter – im vorliegenden Fall eindeutig der passendere Begriff, und ja, mit kurzem Blick auf das an der Wand hängende und in Farbe ausgedruckte Abbild des russischen Ministerpräsidenten schlug sie ein schnelles Kreuz vor der Brust, für gewöhnlich verurteilte sie diese mittelalterlichen Methoden der Informationsgewinnung auch aufs Schärfste – dauerte nun schon mehr als drei Stunden an. Und diese drei hatten ihre Spuren hinterlassen – nicht zuletzt auch in ihrem Büro. Sie sah sich um. Der Vergleich mit Moskau zur Zeit der Napoleonischen Besatzung erschien hier gar nicht mal weit hergeholt.
Allein der Boden – erschreckend. Bei den aktuellen Nachschubbedingungen, mit denen sie hier zu kämpfen hatte und ohne die Bevorratung akzeptabler Reinigungsmittel glich diese Sauerei einer mittelschweren Katastrophe. Unter acht bis zehn Wochen lief in der Region rein gar nichts, und das auch nur, wenn der Konvoi mal nicht überfallen wurde.
Verdammte Rebellen. Sollten die doch bitte bleiben, wo sie hingehörten! Aber Sauerei hin und Sauerei her, zornig sah Swetlanokowa wieder auf, wenn sie das nächste Mal Befehl gab, jemandem die Seele aus dem Leib zu prügeln, dann würde sie das draußen im Ziegenstall erledigen lassen.
„Serzhant Boris!“ Mit einem kurzen Wink gab sie dann ihrem Chef-Pitbull und seinem kleinen, mit anwesenden rundlichen Freund, welcher übrigens auf den treffenden Namen Ilja Gnomow hörte, was im Grunde nicht mehr bedeutete als kleiner Zwerg, das Zeichen, die Verschönerungsarbeiten an Horns Gesicht mittels erneuter wahlloser Faustschläge kurz einzustellen.
„Geht kurz raus eine rauchen, ja?“ Sie zeigte in Richtung Tür. „Ich muss nachdenken …“
Wie hatte ihr Vater noch gleich gesagt? Die Schublade zu ihrer Linken öffnend, zog sie ein vergilbtes Polaroid hervor. Väterchen – sanft strich sie darüber. Es kam ihr geradezu vor, als würde er direkt neben ihr stehen, wenn sie sich seine Worte jetzt in Erinnerung rief:
Geh zur Armee, Nadeshda, da kannst du was bewirken, Nadeshda. Etwas für dein Land tun, einen wertvollen Beitrag leisten – die Werte des Kommunismus verteidigen! Ich will nicht, dass du in 20 Jahren endest wie dein Väterchen, mit einer Ziege und ein paar Hektar unfruchtbarem Ackerboden, mitten in der sibirischen Einöde. In der Armee, da kannst du etwas werden, etwas erreichen! Werd Offizier, Nadeshda, mach mich stolz!
Ruhe er in Frieden. Das Foto vorsichtig zurücklegend schloss Swetlanokowa die Schublade wieder. Kein Zweifel, dieser Kerl hier war Schmerzen gewohnt. So kam sie nicht weiter …
„Also gut, Herr …“, nachdenklich griff sie sich noch mal die vor ihr liegenden beschlagnahmten Reisepässe, „Herr van der Haag, sofern das überhaupt Ihr richtiger Name ist. Ich will ganz ehrlich sein …“, das darin eingeklebte und gestempelte Foto kurz nochmal mit Horns Gesicht abgleichend, sah sie wieder auf, „all das Strecken, die Ketten, die Glut – ich verabscheue diese Vorgehensweisen zutiefst! Wollen Sie nicht endlich anfangen zu reden?“ Die Pässe weiter in der Hand behaltend stand sie auf und schritt langsam auf ihn zu. „Wissen Sie denn eigentlich, wie lang es her ist, dass hier jemand ausgepeitscht wurde? Nein?“ Sich zu ihm runterbeugend sah ihm die russische Offizierin in die Augen.
Doch Horn starrte bloß ausdrucklos vor sich hin.
„Vier Jahre, zwei Monate und 23 verfluchte Tage – nämlich genauso lange wie ich hier Kommandantin bin …“ Und mit einem Mal fing sie an zu brüllen:
„Und Sie kommen einfach her, jagen einen Militär-LKW in die Luft und werfen alles über den Haufen! Menschenrechte im modernen Russland – schon mal was davon gehört?“ Schallend verpasste sie Horn eine Ohrfeige.
Stille. Swetlanokowa atmete tief durch.
„Da sehen Sie, wohin uns das führt
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