Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
haben, und zwar, als er vor dem Decertum gewartet hatte, jedoch sahen sich alle Bellaren in ihrer ebenmäßigen Schönheit ähnlich.
Sein Sitznachbar strich sich die Kapuze aus dem Gesicht, und Timothy glaubte, dessen Blick im Nacken zu spüren. Der Bellare räusperte sich leise. Aber Timothy reagierte nicht, da tippte der ihm auf die Schulter.
»Dein Gesicht zu verdecken, ist nicht mehr nötig«, meinte er mit dünnem Lächeln und deutete mit einem Kopfnicken auf die enthüllten Homorden um sie herum.
In diesem Moment wurde das gedämpfte Getuschel der Wartenden von einem ohrenbetäubenden Donnern durchbrochen, das in der Höhle mehrfach widerhallte.
Alle Blicke richteten sich erschrocken nach vorn.
Zugleich hatten die Validen den Stamm angehoben, als sei er nicht schwerer als ein Druidenstab, und stießen ihn viermal auf den Steinboden, der unter ihren Schlägen zu erzittern schien.
Plötzlich drehten sich die Köpfe der Homorden nach hinten. Auch Timothy sah, wie sich Reihe für Reihe erhob, um vier violett gewandeten Gestalten ihren Respekt zu erweisen. Mit erhobenem Haupt schritten diese durch den Mittelgang, ihre Bewegungen waren fließend und selbstsicher, und obwohl sie unterschiedlicher nicht hätten sein können, wirkten sie wie eine Einheit.
Zu vorderst ging niemand anderes als Malignus aus dem Ältestenrat. Timothy hatte ihn bereits auf der Via Vetus erblickt, doch als er verstand, dass der Crucio auch unter den Homorden eine besondere Bedeutung zu haben schien, überschlugen sich seine Gedanken. War etwa der Ältestenrat selbst Teil der Vereinigung der Menschenhasser? Oder spielte Malignus allein ein doppeltes Spiel? Und hatte er dann den Homorden Timothys wahre Identität verraten? Konnte er hier enttarnt werden?
Beklommen sah Timothy den drei Homorden entgegen, die im Gleichschritt hinter Malignus hergingen. Ein untersetzter Lemur, dessen Bart und Haar das typische Rot der Vinen hatte, ging vor einer hageren Niptradin, ihre blassblaue Haut glitzerte vor Erregung und ihr Blick drückte so viel Stolz aus, als wäre sie eine Braut, die zum Altar geleitet wird. Timothy kamen beide Gestalten nicht bekannt vor, jedoch glaubte er, den Validen wiederzuerkennen, der die kleine Prozession schloss. Auf der Via Vetus hatte Avy ihn Tyr genannt.
Ein weiteres Donnern riss Timothy aus seinen Gedanken.
Die vier violett gewandeten Homorden hatten das Ende des Mittelganges erreicht und standen zwischen den Validen, zu beiden Seiten eines schweren Eichenstuhls, je zwei. Auf absurde Weise wirkte er wie ein Thron, mit hoher Lehne und klauenartigen Armen, die jeweils eine gläserne Kugel umschlangen. Er musste hineingebracht worden sein, als sich alle Aufmerksamkeit der Prozession zugewandt hatte.
Auf einen Schlag war es vollkommen ruhig, nur ein unregelmäßiges Pitsch durchbrach die Stille, wenn ein Tropfen an den Stalaktiten hinunterglitt und auf den feuchten Boden traf. Im gleichen Augenblick erhoben die vier Homorden ihre Stimmen, und einen Moment später war die gesamte Höhle vom Klang hunderter Kehlen erfüllt: »In verba magistri iurare. De profundis clamavi ad te! Iniqua numquam regna perpetuum manent. – In verba magistri iurare. De profundis …« erklang es wieder und wieder, bis eine Gestalt wie aus dem Nichts auf dem Thron sichtbar wurde.
Die beschwörenden Worte erstarben, und ein ehrfurchtsvolles Raunen ging durch die Reihen. Wieder pochten die Validen mit ihren Stämmen auf den Boden, was die Homorden zum Anlass nahmen, ihre Köpfe zu senken. Nur widerwillig riss sich Timothy von dem Anblick los, nur einen schnellen Blick hatte er auf die Gestalt erhaschen können, aber irgendetwas an ihr kam ihm seltsam bekannt vor.
»Es ist erst wenige Anoten her, da habe ich einigen Auserwählten gesagt, wir werden die obere Welt zurückerobern!«, tönte es mit kraftvoller Stimme durch die große Höhle.
Timothy überlief unwillkürlich ein Schauer, aber nicht, weil er erschrocken oder verängstigt war, sondern weil die feste Stimme des Sprechers in ihm das behagliche Gefühl von Zuversicht und Sicherheit auslöste. Vorsichtig schielte er zu dem Bellaren neben sich. Der hatte den Kopf wieder gehoben und hing an den Lippen des Redners, der sich von seinem Thron erhoben hatte und den Blick über seine Anhänger schweifen ließ.
Timothys Furcht war plötzlich gänzlich verflogen, im Gegenteil: Er empfand sich als Teil der Gemeinschaft und wollte in diesem Augenblick gar nicht darüber nachdenken, wie
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