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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Kerzenschein wirkte sie hager und verbraucht, als wäre sie von vielen grausamen Jahren und nicht nur ein paar dunklen Stunden niedergeknüppelt worden. Durch einen Streich des Lichts kam mir ihr blondes Haar ganz weiß vor.
    Die blauen Augen, einst so strahlend und lebhaft, waren nun dunkel vor Trauer, Furcht und Zorn.
    »Mein Telefon ist gestört«, sagte Lilly mit emotionsloser und leiser Stimme. Ihr ruhiges Verhalten stand im Widerspruch zu den starken Gefühlen, die ihre Augen ausdrückten.
    »Dein Telefon?« Zuerst glaubte ich, ihr Verstand sei unter der Last ihrer Angst zusammengebrochen.
    »Nachdem die Bullen weg waren, wollte ich meine Mutter anrufen. Sie hat nach dem Tod meines Dads wieder geheiratet. Drei Jahre danach. Wohnt jetzt in San Diego. Ich bin nicht durchgekommen. Eine Telefonistin hat sich dazwischengeschaltet. Hat gesagt, Ferngespräche könnten nicht vermittelt werden. Vorübergehend. Technische Störung. Sie hat gelogen.«
    Mir fiel ihr seltsames und völlig uncharakteristisches Sprachmuster auf: die abgehackten Sätze, der abgehackte Rhythmus.
    Das Sprechen schien ihr nur möglich zu sein, indem sie sich auf kleine Wortgruppen konzentrierte und nur noch prägnante Informationsbrocken von sich gab. Sie sprach, als fürchtete sie, ihr könnte bei einem längeren Satz die Stimme versagen, während die unterdrückten Gefühle emporgeschwemmt würden und sie unbeherrscht weinend und unzusammenhängend stammelnd zusammenbräche. »Woher weißt du, daß die Telefonistin gelogen hat?« fragte ich, als Lilly verstummte.
    »War nicht mal eine richtige Telefonistin. Das hat man gehört. Hatte den Jargon nicht drauf. Hatte nicht die richtige Stimme. Den Tonfall. Die Einstellung. Die hören sich doch alle gleich an. Die werden ausgebildet. Aber bei der hier war was faul.«
    Die Bewegung ihrer Augen entsprach dem Sprachrhythmus. Sie sah mich wiederholt an, wandte den Blick aber jedesmal schnell wieder ab. Es lagen Schuldgefühle darin und das Gefühl, der Situation nicht gewachsen zu sein. Ich vermutete, daß sie meinen Anblick auch nicht ertragen konnte, weil ich sie im Stich gelassen hatte. Sobald sie die Aufmerksamkeit von den gefalteten Händen abwandte, konnte sie sie nicht länger als ein, zwei Sekunden auf irgend etwas anderes konzentrieren, vielleicht weil jeder Gegenstand und jede Fläche in der Küche Erinnerungen an Jimmy heraufbeschwor, Erinnerungen, die ihre Selbstbeherrschung zerschlagen würden, falls sie es wagte, bei den Gegenständen zu verweilen.
    »Dann habe ich es mit einem Ortsgespräch versucht. Ich habe Bens Mutter angerufen. Die Mutter von meinem verstorbenen Mann. Jimmys Großmutter. Sie wohnt auf der anderen Seite der Stadt. Kein Freizeichen. Jetzt ist das Telefon tot. Völlig tot.«
    Vom anderen Ende der Küche kam das Klirren von Porzellan, dann das Klappern von Löffeln, weil Sasha das Besteck in einer Schublade durchwühlte.
    »Die Cops waren auch keine Cops«, sagte Lilly. »Haben schon ausgesehen wie Cops. Uniformen. Dienstmarken. Waffen. Männer, die ich mein ganzes Leben lang kenne. Manuel. Er sieht wie Manuel aus. Benimmt sich aber nicht mehr wie Manuel.«
    »Was war anders?«
    »Sie haben ein paar Fragen gestellt. Ein paar Notizen hingekritzelt. Einen Gipsabdruck von der Fußspur gemacht. Vor Jimmys Fenster. Auf Fingerabdrücke untersucht, aber nicht überall, wo sie es hätten tun sollen. Es war nicht echt. Überhaupt nicht gründlich. Sie haben nicht mal die Krähe gefunden.«
    »Die Krähe?«
    »Es war ihnen... irgendwie egal«, fuhr sie fort, als hätte sie meine Frage nicht gehört, als bemühte sie sich, die Gleichgültigkeit der Polizei zu verstehen.
    »Lou, mein Schwiegervater, war früher Cop. Er war gründlich. Und ihm waren die Opfer nicht gleichgültig. Was er damit zu tun hat? Er war ein guter Cop. Ein freundlicher Mensch. Man hat immer gespürt, daß ihm seine Fälle nicht gleichgültig waren. Nicht so wie... die vorhin.«
    Ich drehte mich in der Hoffnung, etwas mehr über die Krähe und Louis Wing zu erfahren, zu Sasha um. Sie nickte, was ich dahin gehend interpretierte, daß sie wußte, was die Äußerungen zu bedeuten hatten, und mich später einweihen würde, falls Lilly mir in ihrem Kummer den Zusammenhang nicht erläutern sollte.
    Ich spielte den Advocatus Diaboli und sagte zu Lilly: »Wenn die Polizei ihre Arbeit richtig machen will, muß sie unbeteiligt und unpersönlich sein.«
    »Das war es nicht. Sie werden Jimmy suchen. Sie werden ermitteln.

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