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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Gefahr, wenn sie mehr weiß?« sagte Sasha.
    »Eindeutig«, sagte Bobby von seinem Wachposten an der Hintertür.
    Angesichts des Ausmaßes von Lillys Kummer pflichtete ich ihnen bei, daß es nicht klug war, ihr in allen Einzelheiten zu verraten, was wir wußten. Falls ihr klar wurde, was für eine apokalyptische Bedrohung über uns schwebte, über der gesamten Menschheit, würde sie vielleicht die letzte verzweifelte Hoffnung verlieren, ihren kleinen Jungen lebend wiederzusehen. Ich wollte nicht derjenige sein, der ihr diese verbliebene Zuversicht nahm.
    Außerdem entdeckte ich hinter den Küchenfenstern gerade einen grauen Schimmer, einen so schwachen Vorboten der Dämmerung, daß jemand, der nicht über mein verfeinertes Verständnis für die Schattierungen der Dunkelheit verfügt, ihn wahrscheinlich gar nicht bemerkt hätte. Uns blieb kaum noch Zeit. Bald würde ich mich vor der Sonne verbergen müssen, und ich zog es vor, das in der sorgsam vorbereiteten Zuflucht meines eigenen Hauses zu tun.
    »Ich habe verdient, es zu wissen«, sagte Lilly. »Alles zu wissen.«
    »Du hast recht«, sagte ich.
    »Alles.«
    »Aber jetzt bleibt uns nicht genug Zeit dafür. Wir...«
    »Ich habe Angst«, flüsterte sie.
    Ich schob die Teetasse beiseite und griff mit beiden Händen über den Tisch. »Du bist nicht allein.«
    Sie sah meine Hände an, ergriff sie aber nicht, vielleicht weil sie befürchtete, die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren, wenn sie ihre Hände in meine legte.
    Ich ließ die Hände auf dem Tisch liegen, die Handflächen nach oben. »Es würde dir jetzt nicht helfen, mehr zu wissen. Später werde ich dir alles erzählen. Alles. Aber jetzt... Wenn Jimmys Entführer nichts damit zu tun hat... mit dem Schlamassel in Wyvern... wird Manuel auf jeden Fall versuchen, ihn dir zurückzubringen. Falls es aber doch etwas mit Wyvern zu tun hat, kannst du keinem von der Polizei vertrauen, Manuel eingeschlossen. Dann hängt es von uns ab. Und wir sollten davon ausgehen, daß es von uns abhängen wird.«
    »Das ist alles so ungerecht.«
    »Ja.«
    »So verrückt.«
    »Ja.«
    »So ungerecht«, sagte sie noch einmal, und bei dem Versuch, die Haltung zu bewahren, ballte sie nicht nur die Hände zu Fäusten, sondern verkrampfte auch das Gesicht. Ich konnte kaum ertragen, daß sie solch einen Schmerz empfand, wandte den Blick aber nicht ab. Wenn sie schließlich imstande war, mich anzuschauen, wollte ich, daß sie das Pflichtbewußtsein in meinen Augen sah; vielleicht konnte sie dem irgendeinen Trost entnehmen. »Du mußt hierbleiben«, sagte ich, »damit wir wissen, wo wir dich erreichen können... wenn wir Jimmy finden.«
    »Welche Hoffnung hast du noch?« sagte sie, und ihre sonst so unmodulierte Stimme schwankte leicht. »Du gegen... wen? Die Polizei? Die Army? Die Regierung? Du gegen alle?«
    »Es ist nicht hoffnungslos. Nichts in dieser Welt ist hoffnungslos - außer wir lassen es zu. Aber, Lilly... du mußt hierbleiben. Denn wenn das alles nichts mit Wyvern zu tun hat, braucht die Polizei vielleicht deine Hilfe. Oder kann dir gute Nachrichten bringen. Sogar die Polizei.«
    »Aber du solltest nicht allein sein«, sagte Sasha.
    »Ich bringe nachher Jenna her«, sagte Bobby. Jenna Wing war Lillys Schwiegermutter. »Bist du damit einverstanden?«
    Lilly nickte.
    Sie würde meine Hände nicht in die ihren nehmen, also faltete ich sie auf dem Tisch, wie sie die ihren gefaltet hatte.
    »Du hast gefragt, was die unternehmen könnten, wenn du nicht den Mund hältst und ihr Spiel nicht mitmachst«, sagte ich und zögerte kurz. »Alles. Die sind zu allem fähig«, fuhr ich dann fort. »Ich weiß nicht, wohin meine Mutter an dem Tag fahren wollte, an dem sie starb. Sie fuhr aus der Stadt. Vielleicht, um die Verschwörung auffliegen zu lassen. Denn sie wußte es, Lilly. Sie wußte, was in Wyvern passiert war. Sie kam an ihrem Ziel nicht an. Und du würdest auch nicht ankommen.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Der Autounfall...«
    »... war kein Unfall.«
    Zum erstenmal, seit ich mich ihr gegenüber an den Tisch gesetzt hatte, sah Lilly mir in die Augen und erwiderte meinen Blick länger als für zwei, drei Worte: »Deine Mutter. Genetik. Ihre Arbeit. Deshalb weißt du soviel darüber.«
    Ich nahm die Gelegenheit, Lilly mehr zu verraten, nicht wahr, denn ich befürchtete, sie könnte den zutreffenden Schluß ziehen, daß meine Mutter nicht nur eine rechtschaffene Frau war, die alles auffliegen lassen wollte, sondern zu denen gehörte,

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