Im Bann der Dunkelheit
seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen.
Als die Kassette zurückgespult war und mit einem Klicken stoppte, sagte ich: »Sollen wir die Sache allein in die Hand nehmen? Wir wissen doch nicht genug. Vielleicht sollten wir lieber jemandem von den Kokons erzählen.«
»Du meinst zum Beispiel den Behörden?«
»Zum Beispiel.«
»Du weißt, was die Leute tun werden?«
»Es vermasseln«, sagte ich. »Aber wenigstens sind dann nicht wir diejenigen, die es vermasselt haben.«
»Die werden nicht alle verbrennen. Sie wollen bestimmt ein paar zu Studienzwecken aufheben.«
»Ich bin überzeugt davon, daß sie Vorsichtsmaßnahmen treffen werden.«
Bobby lachte.
Ich lachte auch, mit ebensoviel Verbitterung wie Belustigung. »Okay, trag mich in die Liste für den Marsch zum Schloß ein. Aber Orson und die Kinder kommen an erster Stelle. Denn sobald wir das Feuer entfacht haben, werden wir uns nicht mehr, ungestört in Wyvern bewegen können.«
Ich schob eine Leerkassette in das zweite Bandgerät.
»Machst du eine Kopie?« fragte Bobby.
»Kann nicht schaden.« Als die Geräte ihre Arbeit aufnahmen, drehte ich mich zu ihm um. »Mir fällt da was ein, was du letzte Nacht gesagt hast.«
»Du erwartest doch nicht, daß ich mich an all den Stuß erinnere, den ich erzähle!«
»In der Küche des Bungalows, bei Delacroix. Leiche.«
»Ich habe den Geruch noch immer in der Nase.«
»Du hast da etwas gehört und zu den Kokons aufgeschaut.«
»Wie ich schon da gesagt habe, es war wohl alles nur Einbildung.«
»Richtig. Aber ich hab dich gefragt, was du gehört hast, und du hast gesagt: .Mich.. Was hast du damit gemeint?«
Bobby hatte noch etwas Bier. Er leerte den restlichen Inhalt der Flasche. »Du hast die Kassette eingesteckt. Wir wollten gerade gehen. Ich dachte, ich hätte gehört, wie jemand bleib sagt.«
»Jemand?«
»Nicht nur ein Jemand, mehrere. Stimmen. Die alle gleichzeitig gesprochen haben und alle bleib, bleib, bleib gesagt haben. Es ist nur so... irgendwann habe ich dann gemerkt, daß die Stimmen in Wirklichkeit meine eigene Stimme waren.«
»Sie waren deine Stimme?«
»Schwer zu erklären, Bruder.«
»Scheint so.«
»Ich konnte sie acht, zehn Sekunden lang hören. Doch selbst danach... hatte ich noch das Gefühl, daß sie weitersprachen, nur wesentlich leiser.«
»An der Schwelle der Wahrnehmbarkeit.«
»Vielleicht. Jedenfalls war es unheimlich.«
»Stimmen in deinem Kopf.«
»Nun, sie haben mir nicht gesagt, ich soll Satan eine Jungfrau opfern oder den Papst ermorden.«
»Nur bleib, bleib«, sagte ich. »Wie eine Endlosschleife im Kopf.«
»Nein, eher wie wirkliche Stimmen aus einem Radio. Zuerst hab ich gedacht, sie würden... von irgendwo im Bungalow kommen.«
»Du hattest deine Taschenlampe aber auf die Decke gerichtet«, sagte ich. »Auf die Kokons.«
Das schwache Licht der Hi-Fi-Anlage spiegelte sich in Bobbys Augen. Er wandte den Blick nicht von mir ab, aber er sagte auch nichts.
Ich holte tief Luft. »Ich bin nur gerade am Überlegen. Nachdem ich dich aus der Totenstadt angerufen habe, bin ich mir da draußen im Freien irgendwie ungeschützt vorgekommen. Vor meinem Anruf bei Sasha hab ich also beschlossen, in einen Bungalow zu gehen, wo ich mich etwas sicherer fühlen würde.«
»Warum hast du dir von allen Häusern ausgerechnet das ausgesucht? Wo Delacroix. Leiche in der Küche lag? Mit den Kokons?«
»Genau deshalb bin ich ja am Überlegen«, sagte ich. »Hast du etwa auch Stimmen gehört? Tritt ein, Chris, tritt ein, setz dich, tritt ein, fühl dich wie zu Hause, wir werden bald schlüpfen, komm herein, hab Spaß mit uns.«
»Keine Stimmen«, sagte ich. »Zumindest war ich mir keiner bewußt. Aber vielleicht war es kein Zufall, daß ich dieses Haus gewählt habe. Vielleicht hat es mich irgendwie angezogen, zumindest mehr als das Nachbarhaus.«
»Psychosuggestion? »
»Eher wie die Lieder, die Meerjungfrauen singen, um unachtsame Seeleute in den Tod zu locken.«
»Das hier sind keine Meerjungfrauen. Sondern Insekten in Kokons.«
»Wir haben keine Ahnung, ob es Insekten sind«, sagte ich.
»Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß es keine Hundewelpen waren.«
»Ich glaube, daß wir vielleicht noch gerade rechtzeitig aus dem Bungalow herausgekommen sind.«
Bobby schwieg eine Weile. »Genau diese Scheiße«, sagte er dann, »verdirbt einem den ganzen Spaß am Ende der Welt.«
»Genau, ich fühle mich allmählich wie ein Köder im Haifischbassin.«
Der Kopiervorgang war
Weitere Kostenlose Bücher