Im Bann der Dunkelheit
kommen.«, sagte ich und bemühte damit noch einmal das zuvor Gesagte.
Roosevelt konterte mit einem anderen, ähnlich mehrdeutigen Zitat: ».Nichts ist völlig hoffnungslos.«
»Katzen wissen viele Dinge«, sagte ich.
Jetzt zitierte er mich: »Aber nicht alles.«
Rumpelmauser sah uns an, als wollte er sagen: Katzen sind wissend.
Ich war der Ansicht, daß sich weder der Kater noch Roosevelt endgültig auf diese gefährliche Unternehmung einlassen sollten, bevor sie nicht Leland Delacroix. unzusammenhängendes, unvollständiges, gelegentlich unverständliches, wenngleich letztlich beeindruckendes Testament gehört hatten. Ob wir Orson und die Kinder nun wiederfanden oder nicht, wir würden am Ende der Nacht in jedem Fall zu jenem kokonverseuchten Bungalow zurückkehren, um ein reinigendes Feuer zu entfachen. Ich war allerdings davon überzeugt, daß wir während unserer Suche mit weiteren Konsequenzen des Mystery-Train-Projekts konfrontiert würden, von denen sich einige als tödlich erweisen mochten. Wenn Roosevelt und Rumpelmauser die bizarre Geschichte mit Delacroix. gequälten Worten angehört hatten und daraufhin ihre Absicht, uns zu begleiten, änderten, würde ich zwar trotzdem versuchen, sie weiterhin zur Hilfe zu überreden, aber dann hätte ich das beruhigende Gefühl, ihnen gegenüber nicht unfair gewesen zu sein.
Wir begaben uns ins Eßzimmer, wo ich noch einmal die Originalkassette abspielte.
Nachdem die letzten Worte auf dem Band, die in der unbekannten Sprache, verklungen waren, sagte Bobby: »Die Melodie ist gut, aber es hat keinen Rhythmus, nach dem man tanzen könnte.«
Roosevelt stand mit gerunzelter Stirn vor dem Kassettendeck. »Wann brechen wir auf?«
»Bei Anbruch der Dunkelheit«, sagte ich.
»Der kurz bevorsteht«, sagte Sasha und warf einen Blick auf die Jalousien, gegen die das Tageslicht nicht mehr so beharrlich drückte wie noch vor einigen Stunden, als Bobby und ich zum erstenmal Delacroix. Offenbarungen gelauscht hatten.
»Es macht kaum einen Unterschied«, sagte Roosevelt, »ob die Kinder nun in Wyvern oder am Tor zur Hölle sind. Ganz gleich, wie groß die Gefahr ist, wir dürfen sie dort auf keinen Fall ihrem Schicksal überlassen.« Er trug einen schwarzen Pullover, schwarze Hosen und schwarze Schuhe, als hätte er die heimliche Aktion vorhergesehen, die jetzt vor uns lag. Trotz seiner beträchtlichen Größe und der grobschlächtigen Züge wirkte er wie ein Priester, wie ein Exorzist, der fest entschlossen war, gegen den Teufel anzutreten.
Ich wandte mich Rumpelmauser zu, der auf Sashas Komponiertisch saß, und fragte: »Und was ist mit dir?«
Roosevelt ging vor dem Tisch in die Hocke, bis er mit der Katze auf gleicher Augenhöhe war.
Auf mich machte Rumpelmauser den Eindruck höchsten Desinteresses, wie eine Katze eben, die ihrem Ruf gerecht zu werden versucht, stets den Anschein der gelassenen Gleichgültigkeit und geheimnisvollen, überirdischen Weisheit zu wahren. Offensichtlich betrachtete Roosevelt diesen grauen Mäusejäger durch eine Linse, über die ich nicht verfügte, oder lauschte ihm auf einer Frequenz, die außerhalb meines Hörvermögens lag, denn kurz darauf meldete er: »Rumpelmauser sagt zwei Dinge. Erstens, er wird Orson und die Kinder finden, wenn sie sich irgendwo in Wyvern aufhalten, ungeachtet aller möglichen Risiken und erforderlichen Anstrengungen.«
Ich war erleichtert und dieser Katze dafür dankbar, daß sie uns Mut machte. »Und zweitens?« sagte ich.
»Er muß pinkeln und möchte raus.«
21
Als es dämmerte, ging ich in mein Badezimmer, widerstand dem Drang, mich zu übergeben, und wusch mir statt dessen zweimal das Gesicht, zuerst mit heißem Wasser und dann mit kaltem. Dann setzte ich mich auf den Badewannenrand, hielt mich mit den Händen an den Knien fest und ließ einen Zitteranfall über mich ergehen, der mindestens so heftig war wie jene, die angeblich mit einer Malariaerkrankung oder einer Steuerprüfung einhergehen.
Ich hatte keine Angst davor, daß unser Vorstoß nach Fort Wyvern in der Todesserie enden würde, die unser hellsichtiges Miezekätzchen vorhergesagt hatte - oder daß ich selbst die vor uns liegende Nacht nicht überleben würde. Ich hatte vielmehr Angst davor, daß ich die Nacht zwar überstehen, aber ohne die Kinder und Orson zurückkehren würde - oder daß ich während der Rettungsaktion versagte und auch noch Sasha und Bobby und Roosevelt und Rumpelmauser verlieren könnte.
Auch mit Freunden ist diese
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