Im Bann der Dunkelheit
nach rechts zu den zwei anrückenden Wachleuten, die von den anderen noch nicht bemerkt worden waren. Einer dieser Männer hatte den Schuß abgegeben, der Bobby die tödliche Verletzung beigebracht hatte.
Ich feuerte eine Salve mit der Uzi ab, und beide Wachleute wurden niedergemäht, bevor sie auch nur einen Schuß abgeben konnten.
Als ich sah, was ich getan hatte, verkrampfte sich mir der Magen, aber ich versuchte mein Gewissen damit zu beschwichtigen, daß diese Männer sowieso von Doogie erschossen worden wären, nachdem sie auf Bobby geschossen hätten. Ich hatte ihr Schicksal nur ein klein wenig beschleunigt, während ich Bobbys grundlegend verändert hatte. Was unter dem Strich immerhin ein gerettetes Leben ergab. Es ist allerdings gut möglich, daß derartige Rechtfertigungsversuche eine ausgezeichnete Qualifikation für den Weg in die Hölle darstellen.
Hinter mir stürmten Sasha, Doogie und Roosevelt aus der Kabine in den Korridor.
Die Verwunderung all dieser Doppelgänger war so mächtig wie die Erdnußbutter auf den Bananensandwiches, die Elvis letztendlich den Rest gegeben hatten.
Ich verstand nicht, wie das hier hatte geschehen können, da es doch zuvor nicht geschehen war. Wir waren uns hier niemals begegnet, als wir noch nach den vermißten Kindern fahndeten. Wenn wir uns jetzt aber dennoch begegneten, warum konnte ich mich dann nicht daran erinnern?
Ich schätze, das war wieder so ein Zeitparadoxon. Man kennt ja mich und meine Kenntnisse in Mathe und Physik. Ich bin eher vom Schlag eines Pu oder eines Eliot. Mir schwindelte der Kopf. Ich hatte Bobby Halloways Schicksal verändert, was für mich ein reines Wunder war und rein gar nichts mit Mathematik zu tun hatte. Der Aufzug war mit dem trüben roten Licht gefüllt, in dem sich die verschwommenen rotbraunen Gestalten der Kinder befanden. Die Tür begann sich zu schließen.
»Halt sie auf!« schrie ich.
Der gegenwärtige Doogie blockierte die Türflügel; zur Hälfte befand er sich im Neonlicht des Korridors, zur anderen Hälfte im roten Glühen der Aufzugskabine.
Das elektronische Rumpeln wurde lauter. Es klang furchterregend.
Mir kam John Joseph Randolphs zufriedene Prophezeiung in den Sinn, seine Gewißheit, daß wir alle schon bald auf die andere Seite gelangen würden, an jenen Ort seitwärts, den er nicht benennen wollte. Der Zug, so hatte er gesagt, habe den Bahnhof bereits verlassen. Plötzlich kam mir der Gedanke, ob er damit nicht vielleicht gemeint hatte, daß sich das gesamte Bauwerk auf die mysteriöse Reise begeben würde - nicht nur jene, die sich im Ovalen Raum befanden, sondern jeder innerhalb des Hangars und der sechs darunterliegenden Stockwerke.
Der dringlichen Lage bewußt, bat ich Doogie, in die Kabine zu schauen und mir zu sagen, was mit Bobby war.
»Ich bin hier«, sagte der Bobby im Korridor.
»Da drinnen bist du nur noch ein Haufen totes Fleisch«, sagte ich zu ihm.
»Kann nicht sein.«
»Ist aber so.«
»Auweia!«
»Aber hallo!«
Ich wußte nicht, warum, aber ich dachte, daß es wohl eher keine gute Idee war, mit beiden Bobbys, dem lebenden und dem toten, nach oben in den Hangar zurückzukehren, um diese Zone der zunehmend zerfließenden Zeiten zu verlassen. Ohne die Blockade der Tür zu vernachlässigen, trat der Doogie der Gegenwart in die Kabine, blieb kurz dort und kehrte dann in den Korridor zurück. »Da drinnen ist kein Bobby!«
»Was ist mit ihm geschehen?« fragte die gegenwärtige Sasha.
»Die Kinder sagen, er ist... einfach verschwunden. Sie sind deswegen ziemlich aus dem Häuschen.«
»Die Leiche ist verschwunden, weil er hier gar nicht erschossen wurde«, sagte ich, was etwa genauso aufschlußreich war wie die Erklärung einer thermonuklearen Reaktion mit den Worten »Es macht bumm«.
»Du hast gesagt, ich bin mausetot«, sagte der Bobby der Vergangenheit.
»Was ist hier eigentlich los?« wollte der Doogie der Vergangenheit wissen.
»Ein Paradoxon«, sagte ich.
»Und was soll das wieder heißen?«
»Mein Fachgebiet ist Lyrik!« erwiderte ich in theatralischer Verzweiflung.
»Gute Arbeit, mein Sohn«, sagten die beiden Roosevelts unisono, worauf sie sich überrascht anstarrten.
»Steig in den Aufzug«, sagte ich zu Bobby.
»Wohin gehen wir?« fragte er.
»Raus.«
»Was ist mit den Kindern?«
»Wir haben sie.«
»Und Orson?«
»Ist auch in der Kabine.«
»Stark.«
»Würdest du jetzt endlich deinen Arsch bewegen!« sagte ich.
»Wir sind heute aber ein bißchen gereizt, was?«
Weitere Kostenlose Bücher