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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die Kinder und Delacroix standen auf einem grünen Rasen, die Kinder vor ihren Eltern, und posierten für ein Porträt. Es mußte eine besondere Gelegenheit gewesen sein. Die Frau trug ein sommerliches Kleid und Schuhe mit hohen Absätzen und wirkte hier noch strahlender als auf den anderen Aufnahmen. Das kleine Mädchen ließ ein Lächeln aufblitzen, bei dem man eine Zahnlücke sah, und schien eindeutig von seiner Aufmachung begeistert zu sein: weiße Schuhe, weiße Söckchen und ein mit Rüschen besetztes rosa Kleidchen, das sich über einem Unterrock bauschte. Der Junge war so frisch geschrubbt und gekämmt, das man die Seife fast riechen konnte, und trug einen blauen Anzug, ein weißes Hemd und eine rote Fliege. In seiner Army-Uniform und mit seiner Offiziersmütze - der Rang war nicht leicht zu bestimmen, vielleicht ein Captain - war Delacroix der Inbegriff von Stolz.
    Gerade weil die Fotografierten auf diesen Aufnahmen so sichtbar glücklich waren, hatten die Fotos eine unbeschreiblich traurige Wirkung. »Sie stehen vor einem dieser Bungalows«, stellte Bobby fest und zeigte auf den Hintergrund des vierten Fotos.
    »Nicht vor irgendeinem. Vor diesem.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ein Gefühl im Bauch.«
    »Also haben sie mal hier gewohnt?«
    »Und er ist hierher zurückgekommen, um zu sterben.«
    »Aber warum?«
    »Vielleicht... war das der letzte Ort, an dem er je glücklich war.«
    »Was auch bedeutet«, sagte Bobby, »daß es hier schiefzugehen anfing.«
    »Nicht nur für sie. Für uns alle.«
    »Was glaubst du, wo sind die Frau und die Kinder jetzt?«
    »Tot.«
    »Wieder das Gefühl im Bauch?«
    »Ja.«
    »Ich hab.s auch.«
    Irgend etwas funkelte in dem kleinen roten Votivkerzenglas. Ich stieß es mit der Taschenlampe um. Der Verlobungs- und der Ehering einer Frau rollten auf das Linoleum.
    Diese Gegenstände waren offenbar alles, was Delacroix von seiner Frau geblieben war, von ein paar Fotos einmal abgesehen. Vielleicht maß ich dem zuviel Bedeutung zu, aber ich vermutete, daß er die Ringe in das Votivkerzenglas gelegt hatte, um auf diese Weise auszudrücken, daß die Frau und die Ehe ihm heilig waren.
    Ich sah mir noch einmal das Foto an, das vor dem Bungalow aufgenommen worden war. Das breite Lächeln des elfenhaften Mädchens mit der Zahnlücke brach mir das Herz.
    »Mein Gott«, sagte ich leise. »Hauen wir ab, Bruder.«
    Ich wollte die Gegenstände, die der Tote um sich herum angeordnet hatte, nicht berühren, aber der Inhalt des Umschlags war vielleicht wichtig. Soweit ich es erkennen konnte, war er nicht mit Blut oder irgendwelchem Gewebe kontaminiert. Als ich ihn hochhob, fühlte ich gleich, daß er kein Papier enthielt.
    »Eine Kassette«, sagte ich zu Bobby.
    »Eine kleine Sterbemusik?«
    »Wahrscheinlich sein letzter Wille.«
    In normalen Zeiten, also bevor in den Labors von Wyvern ein Zeitlupen-Armageddon entfesselt worden war, hätte ich jetzt die Bullen angerufen und den Fund einer Leiche gemeldet. Ich hätte nichts vom Tatort entfernt, auch wenn es eindeutig nach einem Selbstmord und nicht nach einem Mord aussah.
    Wir leben aber nicht in normalen Zeiten.
    Ich erhob mich wieder und steckte den Umschlag - samt Kassette - in eine Innentasche meiner Jacke.
    Bobby schaute unvermittelt zur Decke und nahm sofort die Schrotflinte in beide Hände.
    Ich folgte seinem Blick mit der Taschenlampe.
    Die Kokons schienen sich nicht verändert zu haben. »Was ist los?« sagte ich.
    »Hast du nichts gehört?«
    »Was denn?«
    Er lauschte. »Muß es mir eingebildet haben«, sagte er schließlich.
    »Was hast du denn gehört?«
    »Mich«, sagte er geheimnisvoll und trat ohne weitere Erklärung zur Eßzimmertür.
    Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen, den verstorbenen Leland Delacroix hier einfach so zurückzulassen, ohne den Behörden seinen Selbstmord - und sei.s anonym - zu melden.
    Andererseits hatte er aber offensichtlich genau hier sein wollen und nirgendwo anders.
    »Das Baby ist drei Meter dreißig lang«, sagte Bobby auf dem Weg durchs Eßzimmer.
    Über unseren Köpfen blieben die zusammengeballten Kokons weiterhin untätig.
    »Was für ein Baby?« fragte ich.
    »Mein neues Surfbrett.«
    Selbst ein Longboard ist nur selten viel länger als zweieinhalb Meter. Ein drei Meter dreißig langes Monstrum mit einem coolen Airbrush-Bild hing normalerweise nur an den Wänden von entsprechenden Restaurants, um ihnen Atmosphäre zu verleihen.
    »Ein Dekorstück?« fragte ich also.
    »Nein. Es ist ein

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