Im Bann der Dunkelheit
eine astreine Brandung gibt, Kartoffeln und Broccoli anbaust - aber dir fällt es schwer, an ein Nachleben zu glauben?«
Er zuckte mit den Achseln. »Meistens ist es einfacher, an Broccoli als an Gott zu glauben.«
»Nicht für mich. Ich kann Broccoli nicht ausstehen.«
Bobby wandte sich dem Bungalow zu. Er verzog das Gesicht, als könnte er den Rest des verwesenden Delacroix wahrnehmen. »Das hier ist ein verdammt böses Grundstück, Bruder.«
Eingebildete Würmer krochen zwischen den Schichten meiner Haut entlang, als ich an die von der Decke baumelnden Kokons dachte. Ich gab ihm recht: »Böser Fluch.«
»Sieht verdammt brennbar aus.«
»Worum auch immer es sich bei den Kokons handelt, ich bezweifle, daß sie nur in diesem Bungalow hängen.«
In ihrer Gleichheit und regelmäßigen Anordnung kamen mir die Häuser der Totenstadt plötzlich nicht so sehr wie von Menschen errichtete Gebilde, sondern eher wie die Hügel von Termitenkolonien oder Bienenstöcken vor.
»Wir können mit dem hier ja anfangen«, sagte Bobby, der nicht lockerließ.
Die Brise zischelte im kniehohen Gras, zirpte und klickte in den toten Zweigen der verdorrten Sträucher, summte und schnarrte in den Blättern der Bäume und ahmte auf diese Weise eine Vielzahl von Insektengeräuschen nach, als wollte sie uns verspotten und die Unausweichlichkeit einer Zukunft vorhersagen, die lediglich von sechs-, acht- und hundertbeinigen Wesen bewohnt wurde.
»Okay«, sagte ich. »Wir brennen das Haus ab.«
»Schade nur, daß wir keine Atombombe dabeihaben.«
»Aber erst später. Damit locken wir jetzt nur die Polizei und die Feuerwehr aus der Stadt an, und die können wir hier momentan nicht gebrauchen. Außerdem ist nicht mehr viel von der Nacht übrig. Wir müssen weiter.«
»Wohin also?« fragte Bobby, als wir zur Straße gingen.
Ich hatte keine Ahnung, wo wir in der immensen Weite von Fort Wyvern nach Jimmy Wing oder Orson suchen sollten, also reagierte ich nicht auf seine Frage.
Die Antwort steckte unter dem Scheibenwischer auf der Beifahrerseite des Jeeps. Ich sah sie, als ich das Fahrzeug vorn umrundete. Sie sah aus wie ein Strafzettel.
Ich zog das Ding unter dem Wischerblatt hervor und schaltete die Taschenlampe ein, um es mir genauer anzusehen.
Als ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm, beugte Bobby sich zu mir herüber, um meine Entdeckung zu betrachten.
»Wer das wohl da festgeklemmt hat?«
»Delacroix jedenfalls nicht«, sagte ich und spähte in die Nacht hinaus. Mich überkam wieder das Gefühl, beobachtet zu werden.
Ich hielt einen scheckkartengroßen, kunststoffüberzogenen Sicherheitsausweis in der Hand, wie man ihn üblicherweise am Hemd oder Jackenaufschlag befestigt. Das Foto auf der rechten Hälfte zeigte Delacroix, allerdings ein anderes Bild als das auf dem Führerschein, den wir neben seiner Leiche gefunden hatten. Auf diesem Bild riß er erschrocken die Augen weit auf, als hätte er im Blitzlicht der Kamera seinen Selbstmord vorhergesehen. Unter dem Foto stand der Name: Leland Anthony Delacroix. Auf der linken Seite des Ausweises waren sein Alter, Größe, Gewicht, Augen- und Haarfarbe und seine Sozialversicherungsnummer angegeben. Ganz oben standen die Worte: Bei Betreten initialisieren. Über die gesamte Fläche des Ausweises bildete ein dreidimensionales Hologramm, das weder das Foto noch die Informationen darunter unkenntlich machte, drei transparente, hellblaue Großbuchstaben: DOD.
»Department of Defense«, sagte ich. Meine Mutter hatte auch einen Ausweis vom Verteidigungsministerium gehabt, aber so eine Dienstmarke habe ich nie bei ihr gesehen.
».Bei Betreten initialisieren.« sagte Bobby nachdenklich.
»Ich wette, in dem Ding steckt ein Mikrochip.«
Er ist ein Computerkundiger, aber ich werde nie einer sein.
Ich brauche keinen Computer, und da meine biologische Uhr schneller tickt als die von sonstwem, habe ich auch keine Zeit für einen. Außerdem kann man nur schlecht von einem Monitor ablesen, wenn man eine dicke Sonnenbrille trägt. Wenn man lange vor einem Bildschirm sitzt, wird man in niederfrequenter ultravioletter Strahlung gebadet, die allerdings für einen normalen Menschen kaum gefährlicher ist als ein Frühlingsregen. Wegen meiner Anfälligkeit für kumulative Schäden würde ich mich jedoch, wenn ich mich diesen Emissionen aussetzte, wahrscheinlich in ein riesiges, klumpiges Melanom von so eigentümlich patschigen Ausmaßen verwandeln, daß ich nie wieder Anzüge finden würde, die sowohl
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