Im Bann der Engel
beginnen.«
»Mein lieber Albert, so schlecht sieht es für uns nicht aus«, sagte sie und nestelte an ihrem Halsband.
Kapitel 13
Drei Tage später fand die Beisetzung derjenigen statt, die bei den Bränden ums Leben gekommen waren. Eine große Menschenmenge hatte sich am westlichen Ende der Stadt auf dem Friedhof versammelt. Jeder Einzelne hatte mindestens einen Angehörigen oder Freund verloren. Die Menge bildete eine Gasse, durch die der Reverend in Begleitung eines Kinderchors schritt. Vor den offenen Gräbern machten sie Halt. Der Reverend wirkte besonders angeschlagen, ganz so, als hätten die verheerenden Feuer auch ein Stück seines Mutes verbrannt.
Elena und Amenatos standen mit verschränkten Fingern ganz vorne. Zu beten brachte Elena nicht übers Herz, Amenatos bewegte die Lippen, ohne dass ihnen ein Ton entwich. Nicht alle Bewohner schienen erbaut darüber, den Engel zu sehen. Da der Reverend ihn jedoch in Ruhe ließ, ja, ihm sogar wohlwollend zugenickt hatte, wurde Amenatos‘ Anwesenheit geduldet.
»Liebe Gemeinde«, hob der Geistliche mit brüchiger Stimme an. »Der Anlass, weshalb wir alle zusammengekommen sind, ist der traurigste, den man sich vorstellen kann. Sinnlos sind all diese Männer, Frauen und Kinder gestorben. Viele von euch fragen sich bestimmt, ob es den Vermissten gut geht, ob sie vielleicht auch bald auf diesem Totenacker liegen werden. Das allein liegt in Gottes Hand. Lasst uns gemeinsam der Seelen der Toten gedenken.«
Er faltete die Hände und sprach ein Gebet. Die Gemeinde fiel murmelnd mit ein. Elena fühlte mit einem Mal ein Prickeln im Nacken. Unruhig blickte sie sich um. Sie sah jedoch bloß in Andacht versunkene Menschen. Als das Gebet beendet war, bückte sich der Reverend und hob einen Jutebeutel auf, dem er ein schlichtes hölzernes Kreuz entnahm. Einen Moment hielt er es in der Hand, dann warf er es in das Grab vor seinen Füßen. »Auf dass du nie wiederkehren mögest. Ruhe in Frieden«, sagte er laut. Dann wandte er sich dem nächsten Grab zu. Die Prozedur wiederholte er an jeder offenen Grube.
Elenas Unbehagen wuchs. Als der Reverend an ihr vorbei ging, hielt sie ihn fest und flüsterte ihm rasch eine Warnung zu. Unruhe kam in die Gemeinde. Dann erschien ein Engel an den Gräbern. Er trug eine schlichte Maske aus Silber, die den oberen Teil seines Gesichtes bedeckte, eine Brustplatte aus Metall und einen Umhang. Einzig die große Trommelpistole in der Hand mochte nicht recht zu seinem archaischen Erscheinungsbild passen.
»Das ist Blasphemie«, stieß der Reverend hervor.
Der Mund des Engels verzog sich spöttisch. »Gewöhnen Sie sich daran, denn bald werden wir ein alltäglicher Anblick in Cravesbury sein.«
Amenatos setzte zum Sprung an. Elena hielt ihn zurück und deutete auf weitere Engel, die ebenfalls silberne Masken und Rüstungen trugen. Die Menschen begannen, den Kreaturen auszuweichen und rotteten sich unwillkürlich bei Elena und Amenatos zusammen. Der Reverend griff abermals in den Jutesack und hielt dem Engel mit der Maske ein Kreuz vor das Gesicht. »Weiche von mir, Ausgeburt der Hölle!«
Der Engel brach in Gelächter aus.
Amenatos griff in Ermangelung einer Waffe nach einer Grabschaufel. »Haut ab, ihr seid hier nicht erwünscht.« Das Lachen des Engels brach ab. Kalt musterte er Amenatos.
Eine Gasse tat sich inmitten der Trauergesellschaft auf und Madame Hazard schritt würdevoll an den offenen Gräbern vorbei. Schließlich blieb sie vor dem Reverend stehen. Sie trug ein Kleid aus dunkelrotem Samt. Trotz der Kälte verzichtete sie auf einen Mantel.
»Wissen Sie was, Reverend, Sie hatten Recht. Ich bin eine Hexe und Ihnen ist hoffentlich klar, was geschieht, wenn man eine Hexe verärgert?«
Mit funkelnden Augen sah sie in die Runde. Elena und Amenatos bedachte sie mit einem besonders langen Blick.
»Das wird Ihnen nichts nützen«, sagte der Reverend. »Ich fürchte Sie nicht. Im Gegenteil, tiefstes Mitleid hege ich wegen Ihrer Geisteskrankheit für Sie. Gute Besserung. Und nun lassen Sie uns bitte in Ruhe mit der Zeremonie fortfahren und entweihen Sie diese heilige Stätte nicht.«
Elena zollte dem Mut des Reverend Respekt. Er wandte Madame Hazard den Rücken zu und begann laut einen Psalm zu sprechen.
Ein silberner Blitz flog auf den Reverend zu. Amenatos hob die Schaufel, klirrend bohrte sich ein Wurfmesser in das Schaufelblatt. Er stieß den Reverend zur Seite und wehrte das nächste Geschoss ab.
Madame Hazard rief:
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