Im Bann der Engel
fallen dafür alle weg. Die kennt uns doch.«
»Ich könnte das übernehmen«, bot sich Marcellus an.
»Nein«, sagten Elena und Amenatos wie aus einem Munde.
Madame Hazard verschaffte sich einen Überblick. Sie las gespannt Alberts Bericht über die Fortschritte der neuen Engel. Den Umständen zum Trotz waren sie gut gelungen. Zwar waren sie etwas einfältig und ließen jene Finesse vermissen, die Madame Hazard faszinierte. Aber dies war gleichzeitig ein Vorteil, denn sie stellten keine Fragen und befolgten Befehle ohne zu meutern. Wenn die Krise in dieser verrückten kleinen Stadt erst einmal gemeistert war, dann würde sie zu ihrer einstigen Stärke zurückfinden. Ja, sogar noch besser werden.
»Jeder muss erst einmal durch ein Jammertal gehen, ehe er ins Paradies findet«, schloss sie ihre Besprechung mit Albert.
Als nächstes sah sie nach ihren Okkultisten, die sich rund um die Uhr in der Fabrik befanden.
»Sehr gut, Margaret. Du hast Elena Winterstone bezwungen.« Sie berichtete von Elena, die nicht in der Lage gewesen war, den Abzug des Gewehrs zu betätigen.
Margaret schenkte Madame Hazard ein müdes Lächeln. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihre Haut sah wächsern aus. Ihrer Gruppe erging es nicht viel besser. »Sie haben gewiss noch zu tun, ich möchte Sie nicht aufhalten«, sagte Madame Hazard und ignorierte Geoffreys hohles Husten.
Auch zuhause lief alles seinen geregelten Gang. Madame Hazard schöpfte Mut, dass die Auseinandersetzungen mit den unangenehmen Kirchgängern bald ausgestanden sein würden.
Sophia servierte ihr Tee und Kuchen. Auf ihren Wink hin, setzte sie sich zu ihr an den Tisch.
»Es tut mir schrecklich leid, dass ich dich in den letzten Tagen so vernachlässigt habe«, sagte sie und strich Sophia die Haare aus der Stirn.
»Niemand sagt mir etwas. Ich komme mir vor wie ein kleines Mädchen, das man zu schützen versucht. Alles, was ich möchte, ist, einbezogen zu werden. Ich gehöre doch hierher und trotzdem wird so getan, als sei ich ein Gast«, klagte Sophia.
»Du hast Recht. Ich wollte nicht, dass dir ein Leid zustößt. Dabei weiß ich, wie stark dein Herz in Wirklichkeit ist. Wie mutig und furchtlos du allem ins Gesicht schaust.«
Sophia zerkrümelte ihren Kuchen. Schmal war sie geworden, fand Madame Hazard.
»Wegen deinem Gefühl, ausgeschlossen zu sein, verspreche ich, dich in alles einzuweihen. Aber sage mir, was bedrückt dich sonst noch?«
Sophia rang nach Worten. Mehrmals setzte sie zum Sprechen an, schloss den Mund jedoch wieder. Schließlich sagte sie zögernd: »Findet die Liebe immer einen Weg?«
»Bist du traurig, weil Marcellus zu den Verschwörern übergelaufen ist?«
»Nein, Marcellus hasse ich dafür, was er getan hat. Ich dachte, ich liebe ihn. Aber so ist es nicht. Er ist so flüchtig wie der Wind. Wenn er mich geliebt und anschließend einfach davongegangen ist, blieb nichts, als ein schaler Nachgeschmack, zurück.«
»Dann frage ich mich, warum du von Liebe sprichst.«
»Es ist Amenatos«, brach es aus Sophia hervor. Sie wollte nicht weinen, Madame Hazard sah es daran, wie sie zur Decke blickte und vergeblich versuchte, die Tränen wegzublinzeln. Es waren große, bittere Tropfen.
Madame Hazard schloss Sophia in die Arme und küsste sie aufs Haar.
»Ich werde ihn zurückholen. Und dann schenke ich ihn dir.«
»Und diese Schlampe von Wissenschaftlerin muss büßen!«, forderte Sophia vehement.
Madame Hazard seufzte. Es würde in der Tat noch viel Arbeit auf ihre Okkultisten zukommen. Nun hatten sie noch eine Aufgabe mehr. Sie mussten die seltsame Verbindung, die zwischen Amenatos und der renitenten Miss Winterstone bestand, brechen. Sophia war ein hübsches Ding, sie würde den widerspenstigen Engel gewiss zur Raison bringen.
»Sie wird büßen. Ich habe schon eine vage Ahnung, wie ich dir deinen Engel gefügig mache. Allerdings muss ich zuvor noch in einigen Büchern lesen. Begleite mich doch in die Bibliothek und versüße mir die Lesepausen.
So, wie Sophia strahlte, würde sie alles tun, um Amenatos zu bekommen.
Müde wickelte Elena eine Strähne von Amenatos‘ Haar um ihren Finger. Sie lag auf seiner entblößten Brust, lauschte seinem Herzschlag und dachte nach. Auch er hing schweigend seinen Gedanken nach.
Nach einer Weile erhob sich Elena und setzte den Teekessel auf. Sie legte den Schalter für die Zündung des Herdes um, doch nichts tat sich. Auch das Lämpchen der Dream-Steam Briefzustellung war erloschen. Einzig der
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