Im Bann der Gefuehle
buchstäblich eine Ewigkeit, bis Alessandro zur Seite trat und den Weg in den Flur freigab. „Nach dir“, brummte er, ohne einen Funken von Höflichkeit in der Stimme.
Carys ließ sich gar nicht erst dazu herab, ihm zu antworten. Sie stand schon vor ihrer Küchenzeile, das Kind fest an eine Hüfte gedrückt, als die nächste Frage sie erstarren ließ.
„Erkläre mir bitte, wie du schwanger geworden bist!“
Das sollte wohl ein schlechter Witz sein! Entnervt drehte sie sich zu Alessandro um. „Ach, komm schon! Ich habe keine Ahnung, was für ein Spiel du hier spielen willst, aber mir persönlich reicht es jetzt wirklich. Das muss endlich aufhören, Alessandro!“
Seine grünen Augen verdunkelten sich und intensivierten seinen Blick damit um ein Vielfaches. „Nein, Carys“, entgegnete er ruhig. „Es fängt gerade erst an.“ Dann machte er eine Pause und ging ein paar Schritte hin und her, bevor er ihr wieder direkt ins Gesicht blickte. „Denn soweit es nach mir und meiner Erinnerung geht, sind wir beide uns gestern Abend zum ersten Mal begegnet.“
5. KAPITEL
„Das ist alles? Wir sind uns in den Alpen begegnet, wo du in einem Skihotel gearbeitet hast, hatten eine kurze Affäre, und ich lud dich zu mir nach Hause ein?“ Mit Mühe hielt Alessandro seinen Tonfall neutral, so emotionslos, als würde er einen Firmenbericht abliefern und nicht die unglaublichste Geschichte wiederholen, die er in seinem ganzen Leben gehört hatte.
Allein die Vorstellung war absurd. Niemals würde er irgendeine Affäre bitten, mit zu ihm nach Hause zu kommen. Höchstens die Frau, die er später einmal zu heiraten gedachte, aber der musste er erst noch begegnen.
All die Jahre hatte er den Frauen, mit denen er sich umgab, unmissverständlich klargemacht, wie wenig er an einer dauerhaften Beziehung interessiert war. Eine andere Haltung führte nämlich nur unweigerlich dazu, dass sie ihren aussichtsreichen Fang so schnell wie möglich vor den Altar schleppen wollten. Und Alessandro glaubte schon lange nicht mehr daran, aufgrund seines Charakters oder seiner Persönlichkeit gemocht zu werden.
„Wir haben eine Weile zusammengelebt, aber es hat nicht funktioniert, und dann bist du zurück nach Australien gegangen?“, fuhr er fort, ohne sie anzusehen. „Hier angekommen stellst du fest, dass du schwanger bist und rufst wiederholt bei mir zu Hause an. Irgendwann sprichst du mit meiner Stiefmutter und gehst anschließend davon aus, ich würde nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. Richtig?“
„Das sind so ungefähr die Fakten, ja.“
Ihre gelassene Haltung zerrte an seinen Nerven. Wusste sie überhaupt, wie wichtig ihm dieses Gespräch war? Es war eine Tortur für ihn, die Schwäche seiner Amnesie mit einer Fremden teilen zu müssen. Selbst wenn er mit dieser fremden Person einst intim gewesen war.
Man hatte ihn dazu erzogen, sich seine Verletzbarkeit niemals anmerken zu lassen. Da war es kein Wunder, wenn die heutige Situation ihn völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Immerhin wurde er buchstäblich in seinen Grundfesten erschüttert.
Aber Carys würdigte ihn keines Blickes, sondern fütterte den kleinen Leo in seinem Hochstühlchen, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen. Alessandro beobachtete eher sie als seinen Sohn, denn es war ihm unheimlich, in diese fragenden grünen Augen zu starren, die seinen so wahnsinnig ähnlich waren.
Dies konnte nicht sein Junge sein. Er hätte doch sicherlich gespürt, wenn er einen Sohn hätte! Außerdem achtete Alessandro sehr auf Verhütung. Zu gegebener Zeit wollte er gern Kinder haben – mit einer Frau, die in seine Welt passte. Clever, schick, kultiviert und sexy. Und sie würde ihn nicht schon nach zwei Wochen langweilen, so wie es bei den meisten Frauen in seinem Leben der Fall war.
Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Ihre Geschichte hatte keinerlei eigene eindeutige Erinnerung in ihm wachgerufen. Das Einzige, was regelmäßig passierte, war, dass ihn eine Welle des Verlangens und ein bedingungsloser Besitzanspruch überfielen, sobald Carys in seine Nähe kam. Und wenn ihre Version stimmte, hatten sie eine für seine Verhältnisse ungewöhnliche Beziehung miteinander unterhalten. Unglaublich zwar, aber das würde leicht zu überprüfen sein. Zu dumm auch, dass er niemanden von seiner Familie oder seinen Freunden bezüglich dieses Zeitraums befragen konnte …
Hatte er vorgehabt, sie zu seiner Langzeitgeliebten zu machen? Ein faszinierender Gedanke. Unbewusst betrachtete er
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