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Im Bann der Gefuehle

Im Bann der Gefuehle

Titel: Im Bann der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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ihre weiße Baumwollbluse, die sich bei jeder Bewegung über ihren Brüsten spannte. Wäre das Kind nicht gewesen, er hätte augenblicklich dort weitergemacht, wo sie vergangene Nacht aufgehört hatten.
    Ein stechender Schmerz hinter seinen Augen riss ihn aus seinen Gedanken. Das geschah oft, wenn er sich krampfhaft erinnern wollte. Es ging ihm zwar inzwischen gut, und er hatte sich vollständig erholt. Nur von Zeit zu Zeit erinnerte ihn ein hämmernder Kopfschmerz an den schrecklichen Unfall.
    „Alles in Ordnung?“, erkundigte Carys sich überraschend sanft, und ihre rauchgrauen Augen blickten ihn ruhig an.
    Einen Moment lang betrachtete er das harmonische Bild von Mutter und Kind. Carys hatte Leo aus seinem Sitz genommen, und der Kleine stützte sich mit seinen runden Fäustchen auf ihrem Dekolleté ab.
    „Absolut“, murmelte Alessandro. „Du hast mir gar nicht erzählt, warum wir uns getrennt haben.“
    Ihre Wangen färbten sich verräterisch dunkel, und ihre Nase war leicht gekräuselt. „Ich möchte nicht darüber reden. Es macht keinen Sinn.“
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl vor. „Bitte!“
    Was blieb ihr für eine Wahl? Alessandro würde sicherlich nicht verschwinden, bevor sie seine Neugier nicht befriedigt hatte. Das mit der Amnesie nahm sie ihm jedenfalls ab. Er sah so schrecklich gequält aus, während er ihr diese unliebsame Wahrheit mitteilen musste. Und sie wusste von ihrem älteren Bruder, einem Arzt, genug über dieses Thema. Es erklärte vieles, zum Beispiel, warum Alessandro um den halben Globus geflogen war, um sie ausfindig zu machen. Vor allem, nachdem er ihr so unrühmlich den Laufpass gegeben hatte.
    Im Grunde war sie froh, die Einzige zu sein, die sich an diesen demütigenden Tag erinnern konnte. „Und du weißt wirklich nichts mehr aus dieser Zeit?“ Es war glaubhaft, aber natürlich schwer nachzuvollziehen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass sie einander seelisch einmal so nahe gewesen waren. Und nun hatte das Schicksal sie aus Alessandros Gedächtnis gestrichen? Einfach so? Wie sollte das möglich sein?
    Das kann nur einen Grund haben, dachte Carys. Ich war ihm nie so wichtig gewesen wie er mir.
    „Meine Erinnerung bricht an einem bestimmten Punkt abrupt ab.“ Er klang extrem angespannt. Offenbar betrachtete er die Amnesie als eine Schwäche, mit der ein Mann souverän umgehen musste. „Ich erinnere mich nicht mehr daran, dir begegnet zu sein.“ Sein Ton implizierte, dass er seine Zweifel an Carys’ Version hegte. „Die Monate sind einfach leer. Ich kann mich auch nicht mehr an die Fahrt vor dem Unfall erinnern, sondern bin erst im Krankenhaus wieder zu mir gekommen.“
    Ganz langsam ließ Carys sich in ihren Schaukelstuhl sinken. Leo stemmte sich mit den Füßen auf ihren Oberschenkeln ab, während sie ihn mit beiden Händen festhielt. Er liebte dieses Spiel, in sicherem Griff auf der Stelle zu spazieren.
    Und in diesem Moment gab ihr das Gelegenheit, ihren zittrigen Beinen Entlastung zu verschaffen. Alessandros Schilderungen hatten ihr ziemlich zugesetzt, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte. Ihr war leicht übel, und sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie er schwer verletzt aus einem Autowrack geborgen wurde.
    „Du hast noch gar nicht erwähnt, wie es überhaupt zu diesem Unfall gekommen ist.“ Hoffentlich merkte man ihr die Besorgnis nicht allzu sehr an, aber sie musste es einfach wissen. Dabei vermied sie es bewusst, seine Narbe anzustarren, sondern fixierte einen Punkt an der Wand, dicht über seiner linken Schulter.
    Er zuckte leicht die Achseln. „Ich war unterwegs nach Mailand und habe auf nasser Fahrbahn die Kontrolle über den Wagen verloren, als ich einem Geisterfahrer ausweichen wollte.“
    Es ist also auf dem Weg ins Büro passiert, überlegte sie. Er bestand oft darauf, selbst zu fahren, weil er sich angeblich auf diese Weise am besten auf die bevorstehenden Aufgaben konzentrieren konnte. Und nach seinen Angaben geschah der Unfall ziemlich bald nach ihrer Abreise.
    „Geht es dir denn ansonsten gut?“, wollte sie wissen und schluckte trocken ihr Bedauern und ihre Furcht hinunter. „Keine weiteren Spätfolgen oder Schmerzen?“
    Ganz gleich, was sie sich einzureden versuchte, Carys hatte noch Gefühle für diesen Mann. Sie sollte ihn verabscheuen für das, was er ihr angetan hatte, aber ihr Herz ging einen anderen Weg.
    „Ich bin kerngesund.“ Dann schwieg er so lange, bis sie ihm endlich wieder direkt ins Gesicht sah. „Ich

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