Im Bann der Gefuehle
hatte großes Glück und kam mit ein paar Prellungen und Knochenbrüchen davon.“
Zischend sog sie den Atem ein, und Alessandro hob noch einmal die Schultern.
„Die Erholungsphase dauerte nicht lange, ich war nur wenige Wochen im Krankenhaus. Das Hauptproblem ist diese verflixte Amnesie.“ Sein Blick verfinsterte sich. „Aber die Spezialisten behaupten, ich könne nichts dagegen tun und müsse der Natur ihren Lauf lassen. Einen weiteren Schaden habe das Gehirn nicht erlitten.“
Unerwartet erleichtert sackte Carys nach hinten. „Verstehe.“ Diese surreale Unterhaltung passte nicht im Geringsten zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Überhaupt fügte sich alles nicht richtig zusammen. Wenn er sich nicht auf ihre Affäre besinnen konnte, warum hatte er dann im Hotel gleich versucht, mit ihr intim zu werden?
Lag es allein an seiner Libido und seiner testosterongesteuerten Männlichkeit? Erlebte er mit jeder Frau diese unbeschreiblich schönen, erotischen Augenblicke, die es zwischen ihnen beiden gegeben hatte? Und warum nur wurde Carys bei ihm so schnell schwach?
„Und deine Frau?“ Es gelang ihr kaum, die Bitterkeit aus ihren Worten herauszuhalten. „Ich nehme an, sie ist nicht mit dir hier?“
„Frau?“ Einer einzigen Silbe gelang es, die Atmosphäre im Raum auf Eistemperatur abzukühlen. „Du willst nicht behaupten, ich hätte eine Ehefrau?“
Bildete sie sich das nur ein, oder war er tatsächlich blass geworden? Zumindest hatte er sich kerzengerade aufgerichtet und sah Carys aufmerksam an.
Sie zögerte. „Als ich abreiste, warst du Single, hast dich aber mit einer anderen Frau getroffen, die du auch heiraten wolltest. Principessa Carlotta.“ Abneigung färbte ihre Stimme einen Tick zu dunkel.
Natürlich würde Alessandro nur innerhalb seiner eigenen, aristokratischen Kreise heiraten! Schmerzhafte Erinnerungen holten Carys ein, als sie an die herablassenden Worte seiner Stiefmutter dachte.
„Du lässt es so klingen, als hätte ich mich mit dieser Person nicht nur getroffen “, erwiderte er gereizt. „Und das, während wir beide … zusammen waren?“
„Allerdings.“ Eilig schenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Sohn, der fröhlich auf ihrem Schoß vor sich hin gluckste.
„Da irrst du dich.“ Seine Stimme wurde nicht lauter, aber die darin enthaltene Warnung war nicht zu überhören. „So ein Verhalten wäre für mich zu jeder Zeit absolut inakzeptabel.“
„Ich war selbst dort, wie du sehr wohl weißt.“ Mühsam kämpfte sie gegen die beißende Eifersucht an, die ihr die Kehle zuschnürte. „Und im Gegensatz zu dir habe ich keine Erinnerungslücken.“
Stille. Sein starrer Blick hätte einen Stein in Stücke sägen können, trotzdem würde Carys auf keinen Fall klein beigeben. Alessandro konnte sich ja gern für einen unfehlbaren Menschen halten, aber sobald sein Erinnerungsvermögen zurückkehrte, würde er eines Besseren belehrt werden.
„Um das zu wissen, brauche ich mich nicht auf diese verlorenen Monate zu besinnen, Carys“, behauptete er beharrlich. „Egal, was du in jener Zeit zu verstehen glaubtest, ich betrüge keine Geliebte mit einer anderen. Zwei Frauen zur selben Zeit zu haben, wäre für mich höchst unehrenhaft.“
Höchst unehrenhaft!
Carys unterdrückte ein abfälliges Lachen. Nannte man es denn etwa ehrenhaft , sich eine Frau ins Bett zu holen und sie dann aus seinem restlichen Leben auszuschließen, weil sie angeblich nicht standesgemäß war? Nicht gut genug für den aristokratischen Freundeskreis? War es in Ordnung, mit einer Frau Sex zu haben und gleichzeitig einer anderen den Hof zu machen?
Was auch zwischen Alessandro und der principessa schiefgegangen sein mochte, sodass es nicht mehr zu einer Hochzeit gekommen war, zuvor hatte er definitiv ein doppeltes Spiel getrieben.
Die Demütigung tat heute genauso weh wie damals. „Als ich dich wegen der Schwangerschaft zu erreichen versuchte, berichtete mir deine Stiefmutter, du würdest dich bereits auf deine Hochzeit vorbereiten und hättest keine Zeit, dich mit einer ehemaligen Geliebten herumzuschlagen.“
„Das hat Livia gesagt?“ Sein überraschter Tonfall ließ sie aufblicken. Die Augenbrauen hatte er dicht zusammengezogen. „Das kann ich kaum glauben.“
Eben, und genau hier lag das Problem. Er hatte ihr schon zuvor kein Vertrauen geschenkt. „Ganz ehrlich, Alessandro, mir ist inzwischen egal, was du glaubst.“
„Sicher, Livia hält große Stücke auf Carlotta“, überlegte er laut.
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