Im Bann der Gefuehle
„Und sie will unbedingt, dass ich heirate. Aber eine arrangierte Ehe? So weit würde es nicht kommen.“
Doch Carys hatte die Bestätigung der Verlobung noch aus anderer Quelle erfahren. Am überzeugendsten war allerdings der Anblick dieser glamourösen Carlotta selbst gewesen. Sie hatte ebenso verzaubert und willig zu Alessandro aufgesehen, wie Carys es von sich selbst kannte, kurz bevor sie zusammen im Bett landeten. Und er hatte beschützend seinen Arm um sie gelegt, so als wäre sie aus zerbrechlichem Porzellan, und ihr intimes Getuschel hatte unendlich vertraut gewirkt.
Höhnisch klangen Livias Worte in Carys’ Gedächtnis nach. Alessandro wird die finanzielle Verantwortung für dieses Kind tragen, wenn es tatsächlich seines sein sollte. Aber erwarten Sie nicht, dass er sich persönlich bei Ihnen melden wird! Was einmal war, gehört der Vergangenheit an, und ich bin aufgrund Ihrer zahlreichen, sagen wir mal, Aktivitäten alles andere als überzeugt davon, dass er wirklich der Vater ist.
Trotz dieser Abfuhr hatte Carys zahllose Nachrichten auf Alessandros Anrufbeantworter hinterlassen, ihm E-Mails geschickt und sogar einen langen Brief geschrieben. Alles hatte sie probiert, um Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Erst Monate später akzeptierte sie zwangsläufig die Tatsache, dass er nichts mehr mit ihr oder dem ungeborenen Kind zu tun haben wollte. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als der Vergangenheit den Rücken zu kehren und in eine eigene Zukunft zu blicken. Und natürlich verzichtete sie darauf, Unterhalt einzufordern. Leo war ohne einen derart desinteressierten Vater weitaus besser dran.
Und jetzt sollte Alessandro überhaupt nichts von ihrer Schwangerschaft erfahren haben? Er hatte Leo nicht abgelehnt, und er war auch nicht verheiratet?
In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken im Kreis. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er regungslos dasaß und alle Versuche des Kleinen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, einfach ignorierte. Und für Carys interessierte er sich ebenso wenig, also änderten die neuen Umstände nichts an ihrer Situation. Carys sollte lediglich als Informationsquelle für einen Amnesiepatienten herhalten. Oder vielleicht noch als bequemer Betthase …
Ihr fiel der vergangene Abend ein, und sie schauderte. Dann sah sie in die grünen Augen ihres kleinen Lieblings und wusste wieder, dass er der wichtigste Mensch in ihrem Leben war. Sie hatten die Brücken hinter sich abgebrochen, Ende der Geschichte.
„Zeit für dein Bad, junger Mann“, sagte sie entschieden und stand auf.
„Warum habe ich dich aus dem Haus gewiesen?“, fragte Alessandro hastig. „Das hast du mir immer noch nicht verraten.“ Auch er war aufgestanden und hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Aus Gleichgültigkeit? Oder war er vielleicht nur unsicher?
„Ich wollte dich sowieso verlassen.“ Sie reckte ihr Kinn vor. „Zudem hast du mir vorgeworfen, ich hätte eine Affäre gehabt und dein Vertrauen missbraucht.“
Diese Ironie war damals wie heute einfach nur lachhaft. Nur konnte Carys sich nicht wirklich darüber amüsieren.
„Eine Affäre? Mit wem?“
„Mit Stefano Manzoni. Er ist …“
„Ich weiß, wer das ist.“ Sein Gesichtsausdruck wurde noch düsterer. „Netter Umgang, den du da pflegst.“
Stolz hob sie ihren Kopf noch höher. „Damals habe ich ihn für einen netten Kerl gehalten. Zuerst!“ Bis er zudringlich wurde. Ein weiterer italienischer Macho, der nicht mit einer Zurückweisung umgehen konnte. Allerdings hatte Carys in Alessandros Nähe niemals wirklich Angst gehabt, so viel musste sie fairerweise zugeben. „Ich ging eben davon aus, als Cousin deiner hochgelobten Principessa Carlotta hätte er einen ehrenhaften Charakter.“
„Sie ist nicht meine Carlotta!“
„Wie auch immer.“ Sie straffte die Schultern. „Ich muss Leo jetzt baden. Und mir wäre es sehr recht, wenn du nun gehst.“ Mit hocherhobenem Kopf wollte sie an Alessandro vorbeigehen, doch ihr Sohn hatte andere Pläne.
Zunächst hielt sie ihn noch fest im Arm, doch dann stürzte er sich – in einem letzten Versuch, den interessanten fremden Mann mit seinen kleinen Händen zu erreichen – nach links.
„Leo!“ Zu spät griff Carys mit ihrer linken Hand nach, Alessandro war schneller.
„Keine Sorge, ich habe ihn.“ Mit beiden Händen fing er das Kind auf, bevor es zu Boden fallen konnte.
Carys’ Herz zersprengte fast ihren Brustkorb, so heftig hämmerte es gegen die Rippen. Der Schock
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