Im Bann der Leidenschaften
solchen Blödsinn?“ Ich rücke meine Beuteltasche, die mir von der Schulter gerutscht ist und mir bei jedem Schritt gegen den Hintern schlägt, zurecht, und besteige hinter Philippe das Flugzeug. Ich habe beschlossen, die letzten drei Tage hinter mir zu lassen. Die Reise wird mir helfen, die Geschehnisse zu verdrängen oder so zu verarbeiten, dass ich mit der Erinnerung leben kann, ohne mich selbst zu zerfleischen. Ist dies nicht das, was man erwachsenes Verhalten nennt?
„Guten Morgen, Madame Duvall, Monsieur Duvall. Ich begrüße Sie herzlich an Bord. Mit ihnen sind wir vollzählig.“ Eine ausnehmend hübsche und schlanke Stewardess begrüßt uns und führt uns zu unseren Plätzen. Beigefarbene Leder-Schlafsitze in einer relativ kleinen Kabine. First Class, natürlich. Philippe fliegt nur First Class. Weil er so viel Zeit im Flugzeug verbringt, will er es dort bequem haben und sich nicht in einen Billigflieger quetschen, wo neben ihm jemand sitzt, der ihm Bazillen in die Gesichtsöffnungen hustet.
Die Stewardess nimmt mir meine Beuteltasche ab. Ich bin kurz davor, sie ihr wieder zu entreißen und sie selbst im Gepäckfach zu verstauen, so sehr schäme ich mich plötzlich für die abgetragene Tasche. In ihrer schicken Uniform und der Bananenfrisur sieht die Flugbegleiterin so gepflegt aus, dass ich mir in meiner Schlabberkluft und den immer noch feuchten Haaren vorkomme wie eine Schlampe. Soviel zum Thema erwachsenes Verhalten.
„Lass sie“, zischt Philippe mir zu. „Das ist ihr Job. Setz dich.“
Kommentarlos pflanze ich mich auf den Fensterplatz, schnalle mich an, stopfe mir das kleine, weiße Kissen hinter den Kopf und lege die Wolldecke auf die Oberschenkel, die auf der Ablage zwischen Philippes und meinem Platz lag. Mann, hat Philippe eine Laune! So habe ich ihn noch nie erlebt.
„Gefällt sie dir?“, frage ich leise, mit geschlossenen Augen, als Philippe ebenfalls sitzt und auch die Stewardess auf dem Notsitz neben der Küche hockt. Mein Verstand sagt mir, dass ich besser die traumhaften Flugbedingungen genießen sollte, doch der kleine Teufel in mir reibt sich die Fäuste.
„Aber sonst geht es dir gut, Annie?“
„Ich meine ja bloß.“
Das Flugzeug rollt an. Am Anfang der Startbahn stoppt es kurz, bevor es beschleunigt.
„Gefällt dir mein bester Freund?“, fragt Philippe, als der Flieger abhebt.
Unwillkürlich gehen meine Lider nach oben und mein Kopf saust zu Philippe herum. Seine Miene verrät nichts.
„Ich meine auch bloß.“
„Was soll das?“, fauche ich ihn an. „Du hast mich in seinem Beisein gefickt.“
„Wenn ich mich recht erinnere lautete deine Aufforderung: Tu’s doch.“ Philippes leuchtend blaue Augen blitzen mich streitlustig an.
„Tust du immer alles, was ich dir sage?“
„Süße“, knurrt Philippe, „was erwartest du in einer solchen Situation und nach einer solchen Aufforderung von einem Mann?“
„Dass er sich wie ein Gentleman benimmt und die Dame nicht erst in eine solche Situation bringt.“ Insgeheim klopfe ich mir auf die Schulter. Es ist mir gelungen, nach vorn und nicht nach hinten zu blicken. Die Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft ist Philippes Entscheidung, mich in dem Bentley zu ficken. Damit liegt der schwarze Peter bei ihm. Das ist nicht ganz fair, aber was ist schon fair?
„Oh, oh, die Dame schmollt.“ Philippe zieht das Wort Dame unendlich in die Länge. Er scheint einen Moment lang nachzudenken. Doch dann schließt er die Augen und lehnt sich in seinen Sitz zurück.
Was zum Henker geht diesem Mann im Kopf herum?
„Ist dein Anfall vorüber?“
Philippe bleibt still.
„Hey! Ob es das jetzt war, will ich wissen.“ Dieses Verhalten bringt mich auf die Palme. Aber wenn es sein muss, kann ich sehr hartnäckig sein.
In Philippes Mundwinkeln zuckt es, während seine Lider glatt und unbeweglich über den Augäpfeln liegen. Ich habe keine Ahnung, ob das ein gutes Zeichen ist oder ein schlechtes, erfahre es aber postwendend.
„Wenn du dieses Gespräch meinst: Ja. Wenn du unsere taufrische Ehe meinst: Nein. Ich liebe dich noch immer, selbst wenn du meinen besten Freund schmachtend ansiehst, während wir zwei Liebe machen.“
Ach du lieber Himmel! Wie konnte ich arme Irre davon ausgehen, dass Jerôme es nicht bemerkt. Natürlich ist ihm aufgefallen, dass mich Jerômes Anwesenheit scharf gemacht hat. Philippes Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Es hat keinen Zweck, die Tatsache abzustreiten. Na ja,
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