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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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guter Stratege und behänder Kämpfer. Seine Haut besaß einen leichten Bronzeton, ganz das Gegenteil zu der gewünschten Blässe bei Hofe. Hinzu kamen die schwarzen, leicht katzenhaft geschnittenen Augen in dem schmalen Gesicht und leicht gewellte, tiefschwarze Haare, die offen bis auf die Schultern fielen. Kurz gesagt, Marcel Saint-Jacques war ein hübscher, gebildeter Bursche, der Wert auf Pflege und gute Kleidung legte. Er würde schon einen guten Eindruck bei Hofe hinterlassen, da war er sicher. Vielleicht fand sich ja ein reicher Gönner, der ihn bei seinen Plänen, eine eigene Fechtschule zu gründen, unterstützen würde. Ja, der junge Marcel war voller Pläne und einem unbändigen Optimismus, was seine Zukunft anging. Trotzdem war sein Herz schwer beim Abschied von seiner alten Heimat. Seiner Mutter hatte er versprochen, ihr möglichst oft zu schreiben und Geld zu schicken, sobald es ihm möglich sein würde. Alina war mittlerweile ergraut und ging leicht gebeugt der schweren Dienstbotentätigkeit im Herrenhaus nach. Aber sie war eine stolze Frau. Auch wenn die junge Herrin sie in die Küche verbannt hatte und sie die niedrigsten Arbeiten verrichten ließ. Alina beklagte sich nie.
     
    So eine Reise durch die ländliche Provinz war nicht ungefährlich, vor allen Dingen nachts. Der junge Mann war also gezwungen, in einem der wenig komfortablen Wirtshäuser zu übernachten, die gleichzeitig als Poststationen dienten. Als er wieder einmal kurz nach Sonnenuntergang in einem dieser Gasthäuser Rast machte, bemerkte er eine schwarz lackierte Kutsche mit verhängten Fenstern und einer silbernen Bourbonenlilie als Türwappen vor dessen Pforte stehen. Vier Rappen waren eingespannt, und der Kutscher war gerade dabei, die Pferde zu tränken. Neugierig trat Marcel näher. So hoher Besuch in dieser Kaschemme?
    Ein schmutziger Stallbursche in zerrissener Kleidung eilte herbei und nahm ihm den Hengst ab, um ihn im Stall zu versorgen. Marcel zog die ledernen Handschuhe aus und betrat die Schankstube. Es roch nach Schweiß, Bratenfett und abgestandenem Bier. Ein halber Ochse drehte sich auf dem Spieß in der Küche hinter dem Gastraum. Zwei Schankmädchen versorgten die teilweise bereits angetrunkenen und lautstarken Gäste mit Rotwein und Bier aus zinnernen Krügen. Nach einem langen Ritt knurrte auch Marcels Magen, und er setzte sich etwas abseits an einen der Tische aus grobem Holz. Die Bank wackelte bei seinem Hinsetzen. Er bestellte einen Becher Wein, Fleisch und Brot zum Abendessen und fragte die Magd nach einem Zimmer. Dabei war sein Beutel nicht gerade reich gefüllt.
    „Ihr habt Glück, Monsieur, ein Gemach ist noch frei. Ich führe Euch nach Eurer Mahlzeit hinauf“, bot die Magd ihm an. Dabei verhießen ihre Augen, dass sie vielleicht auch zu einem Schäferstündchen bereit gewesen wäre. Beim Anschenken ließ sie ihn einen Blick auf ihr pralles Dekollete werfen.
    „Ich danke Euch. Die Reise hat mich ermüdet und ich möchte morgen bei Sonnenaufgang weiterreisen“, erwiderte Marcel und drückte dem Mädchen eine Silbermünze in die Hand. „Für mich und mein Pferd“, bemerkte er dabei und wandte sich dem gefüllten Becher zu.
     
    Ein Mann in der gegenüberliegenden Ecke hatte die kurze Szene beobachtet. Er trug edle, maßgeschneiderte Reisekleidung aus dunkelblauem Tuch mit Silberlitzen. Das Silber wiederholte sich in seinen Haaren, die an den Seiten noch dunklere Strähnen aufwiesen. Dennoch wirkte er nicht alt. Die Haut war fest und faltenlos, fast durchscheinend. Tiefblaue Augen prüften die Umgebung mit dem Blick eines Gardehauptmanns. Dieser Mann machte den Eindruck eines wachsamen Raubvogels auf Beutezug. Und sein Opfer hatte er jetzt fest im Visier.
    Nachdem er sah, dass Marcel seine Abendmahlzeit beendet hatte, stand er auf und ging hinüber an den Tisch des jungen Mannes, um ihn auf einen weiteren Becher Wein einzuladen. Marcel nahm das Angebot überrascht, aber dankend an und kam mit dem Fremden ins Gespräch.
    „Ihr reist allein?“, erkundigte sich der Fremde, als er sich niedersetzte.
    Marcel nickte.
    „Ein so junger Bursche wie Ihr ist sicher auf der Suche nach einer Anstellung oder gar einer Gefährtin?“
    Marcel blickte hoch. Konnte der Fremde Gedanken lesen? Dessen dunkelblaue Augen saugten sich an den seinen fest und zogen ihn wie einen Strudel immer tiefer in eine Art Willenlosigkeit. Es schien, als blätterten eisige Finger durch seine Gedankenbilder aus der Vergangenheit. Der

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