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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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Marcel.
    „Meine Halbschwester wollte es loswerden, nachdem es meinen Vater auf der Jagd abgeworfen und getötet hatte.“
    Pascal schwieg. In seinem einfachen Denken war ihm nicht klar, wieso ein Tier Schuld daran haben sollte.
    „Pferde sind schreckhaft, aber Euer Vater war doch bestimmt ein guter Reiter, nicht wahr? Sonst hätte er solch ein englisches Vollblut doch nicht bestiegen.“
    Marcel musste dem Stalljungen insgeheim Recht geben. Außerdem hatte der Hengst ihn tagelang sicher getragen, ohne sich ein einziges Mal aufzubäumen oder gar durchzugehen, obwohl er die Umgebung nicht kannte. Sollte der Tod seines Vaters womöglich gar kein Unfall gewesen sein? Aber nur Elise war in seiner Begleitung geritten. Ein schrecklicher Gedanke kam in ihm hoch: Sollte seine Halbschwester etwas mit dem Ablegen ihres gemeinsamen Vaters zu tun haben? Würde sie in ihrer Abneigung ihm gegenüber so weit gegangen sein? Das erschien ihm nun doch zu absurd. Trotzdem blieb ein Hauch von Verdacht. Aber wie könnte man dieser Sache auf den Grund gehen? Vielleicht konnte der Marquis ihm dabei helfen. Während Marcel seinen düsteren Gedanken nachhing, plauderte Pascal unbekümmert weiter. Erzählte von rauschenden Ballfesten, die sein Herr in den Wintermonaten gab und berichtete sogar, dass der König einmal im Jahr den Marquis zur Jagdsaison besuchen würde. Die vielen neuen Eindrücke waren überwältigend für Marcel Saint-Jacques, den Sohn einer einfachen Dienerin, selbst wenn dieser in einem adeligen Hause aufgezogen worden war. Passte er wirklich in diese prunkvolle Welt hinein? Was würde seine Mutter sagen, wenn er ihr all diese Neuigkeiten in einem Brief schilderte? Würde sie ihm überhaupt Glauben schenken? Marcels Herz schlug höher. Er musste unbedingt seiner Mutter heute Abend schreiben!
     
    Hungrig und müde trafen die beiden jungen Leute am späten Nachmittag wieder in den Stallungen ein. Marcel bestand darauf, sein Pferd selbst zu versorgen, so, wie er es gelernt hatte. Ein Teil seines Hochgefühls war inzwischen verflogen. Bestimmt würde er früher oder später doch wieder bei der Stallarbeit landen, wenn der Marquis ihn nicht mehr so amüsant finden würde wie heute morgen. Besser, er machte sich nicht zu große Hoffnungen! Aber wenn es ihm hier nicht mehr gefiele konnte er immer noch weiterreisen nach Paris. Pascal kam in den Stall gelaufen.
    „Monsieur, Ihr werdet im Speisesaal erwartet!“, rief er ganz außer Atem.
    „Beeilt Euch besser, der Marquis wartet nicht gerne!“
    Marcel lief aus den Stallungen, um sich umzuziehen. Er war es von zuhause gewohnt zu gehorchen, wenn man ihn rief.
     
    Der Speisesaal war festlich erleuchtet. Im Schein von hundert Kerzen in den Kronleuchtern hatte man die Tafel mit allerlei Gerichten und Obst beladen. Doch es war nur ein Gedeck vorhanden. Der Marquis wies mit der Hand darauf, und Marcel nahm fast eingeschüchtert Platz. Ein Bediensteter reichte ihm die Speisen. So fürstlich hatte er noch nie zu Abend gegessen. Der Hausherr selbst begnügte sich mit einem Glas Portwein.
    „Nun, wie war Euer Tag, Monsieur Saint-Jacques?“
    Wieder lag ein Anflug von Spott in dieser Frage. Marcel beeilte sich, den Bissen in seinem Mund herunterzuschlucken, um ihm zu antworten.
    „Ich finde kaum Worte für diesen herrlichen Besitz, Marquis.“
    Zufrieden lehnte sich Julien de Montespan zurück.
    „Dann bitte ich Euch zu bleiben und mir fortan Gesellschaft zu leisten.“
    Marcel wusste nicht, wie ihm geschah. Sollte er doch mehr werden als ein Diener? Als hätte der Edelmann seine Gedanken erraten, nickte er selbstvergessen.
    „Ich habe mir immer einen Sohn gewünscht. Doch, wie Ihr wisst, war es mir nicht vergönnt. Jetzt bin ich zu alt für eine Familiengründung. Ich verstehe, wenn Ihr den Namen Eures Vaters behalten wollt, daher möchte ich Euch fortan als mein Mündel betrachten. Mein geschätzter Bruder und der Rest meiner Familie sind bestens versorgt, allein mir fehlt ein Erbe.“
    Das also hatte der Marquis in dem Wirtshaus mit Schicksal gemeint? Marcel wusste nichts darauf zu sagen, und so ergriff de Montespan erneut das Wort. Ungeduld war in seiner Stimme zu vernehmen. „Nun, was sagt Ihr dazu? Oder gibt es etwas, dass Euch bedrückt? Oh, ich verstehe, Eure Mutter. Das lasst meine Sorge sein. Schreibt Ihr, dass auch sie willkommen ist.“
    Soviel Glück konnte der Junge kaum fassen. Das war mehr, als er sich jemals zu erhoffen gewagt hätte. Spontan erhob er sich und trat

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