Im Bann der Ringe (German Edition)
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Langsam verließ sie die Veranda, achtete dabei auf die kaputte Stufe und ging wieder zu ihrem Wagen.
„Dann muss ich wohl warten, bis du wieder auftauchst und dich hoffentlich bei mir meldest“, entschied sie und öffnete die Fahrertür. „Morgen wirst du ja vielleicht wieder da sein.“
Als sie den Motor startete und zurücksetzte, dachte sie an das unsichtbare Band, das sie verband. Und es machte ihr Angst, darüber nachzudenken, ob es jetzt vielleicht zerschnitten war.
„Tja, Cat. Es läuft nicht immer alles so, wie du es dir vorstellst. Totale Finsternis. Ein Meer von Gefühl und kein Land! Wie wahr, wie wahr.“ Vorsichtig fuhr sie den Weg, den sie gekommen war, wieder zurück.
Im Rückspiegel betrachtete sie das Haus, bis es immer kleiner wurde. Als es gar nicht mehr zu sehen war, stellte sie das Radio an und suchte nach einem Sender, der Musik spielte, die ihrer miesen Stimmung entsprach.
***
Die Sonne ging gerade auf und von seinem Platz aus im Shackford Head genoss er einen traumhaften Blick auf das Schauspiel.
Seit Montagmittag, seit drei Tagen um genau zu sein, war Ric schon nicht mehr in der Schule gewesen. Sein Vater sagte schon lange nichts mehr zu Rics Ausflügen. Er war der Meinung, sein Sohn wäre alt genug und sollte wissen, was er tat. Und er zeigte Verständnis dafür, denn es war weiß Gott nicht einfach, mit der Last eines Fluches aufzuwachsen. Daher ließ er ihn in Ruhe und wartete geduldig darauf, dass sein Sohn, wenn es nötig war, das Gespräch von selbst suchen würde. Er vertraute ihm und bisher hatte Ric sein Vertrauen auch noch nie ausgenutzt.
Aber Ric suchte diesmal nicht das Gespräch mit seinem Dad, sondern saß tief im Wald und dachte immer wieder über die Ereignisse der letzten Tage nach. Sein Kopf war leer, seine Gefühle schwankten zwischen Wut und totaler Depression. Dabei war er hierher gefahren, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Nachdem er mit Dionne geschlafen hatte, hatte sich etwas verändert. Dionne hatte plötzlich Macht über ihn. Er konnte es sich nicht erklären, doch genauso wenig konnte er sich dagegen wehren. Er wollte schreien, wollte sich ihr entziehen, aber er brachte keinen Ton über die Lippen.
Die ganze Nacht war er bei ihr geblieben, den ganzen Sonntag hatten sie miteinander verbracht. Dionne schien das sehr glücklich zu machen. Was es mit ihm machte, wusste er nicht, aber Glück – das wusste er – fühlte sich anders an!
Am Montag dann hatte er einen kurzen Blick von Cat aufgefangen. Und dieser eine kurze Blick hatte genügt, um zu erkennen, was wirkliches Glück war! Doch Dionne ließ ihn nicht aus seinen Fängen. Und er war machtlos. Er war nicht mehr er selbst, wenn er mit ihr zusammen war. Er fühlte sich so von ihr angezogen wie der Pluspol von einem Minuspol. Nichts anderes war mehr wichtig, wenn er in ihrer Nähe war.
Und wenn sie ihn berührte – dann war er so gut wie willenlos gewesen.
Er war froh, dass Jayden ihm die Augen geöffnet hatte. Und dass er Dionne nun endlich los war. Er hoffte inständig, dass sie ihre Drohung nicht wahr machte und Cat von ihrer gemeinsamen Nacht erzählte, aber darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Erst musste er seine eigenen Gedanken ordnen.
Der Gedanke an Cat, die Erinnerung an den einen Blick, den sie ihm Montag in der Mittagspause quer über den ganzen Tisch zugeworfen hatte, das ausgesprochene Wort von Jayden, dass er Cat liebte und dass er Dionne gegenüber das Gleiche offen zugegeben hatte – das gab ihm für einen kurzen Moment das Glück zurück. Das Glück, nach dem er sich so sehr sehnte!
Als er nachts darauf allein in seinem Bett gelegen hatte, hatte die Sehnsucht nach diesem Gefühl so sehr überwogen, dass er es nicht mehr aushielt. Er stand auf, zog sich an, packte kurzerhand einige Sachen in seine Tasche und stieg in seinen Mustang. Als er die Auffahrt leise herunterrollte, fühlte er sich wie befreit, und je weiter er Eastport hinter sich ließ, umso leichter wurden die Fesseln, die Dionne ihm angelegt hatte.
Nun saß er also im Sonnenaufgang und war bereit, sich dem zu stellen, was um ihn herum passierte.
Er dachte an Cat.
Mit ihr hatte er gesprochen, sie hatte ihn verstanden, sie hatte ihm geglaubt, so wie auch er ihr geglaubt hatte. Zwei junge Menschen, beide durch eine Geschichte miteinander verbunden und der Last eines Fluchs hilflos ausgeliefert. Aber mit eben dieser Hilflosigkeit wollte Ric sich nicht abfinden. Er spürte tief in sich,
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