Im Bann der Sinne
jedoch hatte ihr das Gefühl gegeben, von Bedeutung zu sein.
„Nein! Ich habe nicht ..."
„Genug." Tariqs schneidende Stimme brachte Jasmine zum Schweigen. „Jedenfalls, als deine Familie dich aufgefordert hat, eine Entscheidung zu treffen, hast du dich nicht für mich entschieden. Und du hast mir nicht einmal etwas davon gesagt, sonst hätte ich für unsere Sache kämpfen können. Es gibt nichts weiter dazu zu sagen."
Jasmine schwieg. Ja, es stimmte. Wie sollte sie einem Mann wie ihm verständlich machen, wie das damals für sie war? Tariq war von Kindheit an zum Herrscher erzogen worden und hatte nie erfahren, wie es war, erniedrigt und klein gemacht zu werden, bis man kaum noch wusste, wer man war. Unwillkürlich zog sie die Schultern ein, als sie an jenen Tag dachte, der ihr Leben für immer verändert hatte.
Ihr Vater hatte ihr verboten, sich mit Tariq zu treffen. Sie hatte ihn angefleht, doch er hatte sie vor die Wahl gestellt: entweder der Araber oder die Familie.
Er hatte Tariq immer als „den Araber" bezeichnet. Nicht aus rassistischen Gefühlen, nein, viel schlimmer.
Anfangs hatte Jasmine geglaubt, ihre Familie erhoffe sich eine Verbindung für sie mit einer der anderen Familien des Landadels. Erst später hatte sie die ganze hässliche Wahrheit erfahren.
Die schöne Sarah hatte sich gewünscht, Prinzessin zu werden. Und alle hatten geglaubt, dass es passieren würde. Wenn es nach ihrer Familie gegangen wäre, dann hätte Tariq um Sarah werben sollen. Allerdings hatte er vom ersten Moment an nur Augen für Jasmine gehabt,
die Tochter, die gar keine Tochter war; die Tochter, für die man sich schämen musste.
Das ausgedehnte Hügelland, in dem Jasmine aufgewachsen war, gehörte seit Generationen den Coleridges. Jasmines Eltern waren es also gewohnt, in ihrem kleinen Reich zu herrschen wie Könige, und sie waren beunruhigt wegen Tariqs Willensstärke. Erschwerend kam hinzu, dass er Jasmine Sarah vorgezogen hatte.
Hätten sie eine Heirat mit Jasmine zugelassen, dann hätten sie die falsche Tochter glücklich gemacht und wären zeitlebens mit der Tatsache konfrontiert gewesen, dass es ihnen nicht gelungen war, Tariq in ihrem Sinn zu manipulieren.
Die Wahrheit war alles andere als schön. Jasmine konnte sich nicht länger in dem Glauben wiegen, sie sei die geliebte, behütete Tochter ihrer Eltern, die nur ihr Wohl im Sinn hatten.
„Hast du inzwischen das Bewässerungssystem eingeführt?" Jasmines Stimme klang dünn. Sie waren sich begegnet, als Tariq nach Neuseeland gekommen war, um sich über das revolutionäre Bewässerungssystem, das eine der Nachbarfamilien entwickelt hatte, zu informieren.
„Es ist seit drei Jahren erfolgreich im Einsatz."
Sie nickte stumm und lehnte den Kopf an die Rückenlehne. Mit achtzehn hatte sie die falsche Entscheidung getroffen, weil sie schreckliche Angst davor gehabt hatte, die einzigen Menschen zu verlieren, von denen sie sich akzeptiert gefühlt hatte, trotz ihres Makels. Erst vor einer Woche hatte sie eben jenen Menschen den Rücken gekehrt und sich auf den Weg gemacht, um die wunderbare Liebe, die sie mit Tariq verbunden hatte, neu zu beleben.
Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie jetzt ganz allein war?
Ihr Vater hatte seine Drohung wahr gemacht und sie verstoßen. Aber diesmal hatte sie sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie war einfach gegangen, wohl wissend, dass es keinen Weg zurück gab.
Das Einzige, was ihr geblieben war, war ihre Entschlossenheit und eine tiefe Liebe, die niemals erloschen war. Aber das konnte sie Tariq nicht sagen. Sein Mitleid wäre weitaus schlimmer als sein Zorn. Sie hatte sich nun für ihn entschieden und auf alles andere verzichtet.
Kam sie zu spät?
„Wir kommen jetzt nach Zulheina. Falls du hinausschauen möchtest." Tariq wies mit der Hand zum Fenster.
Jasmine drückte auf den Knopf neben ihrem Ellenbogen. Die Scheibe glitt nach unten, und warme Luft strich über ihre Wangen. „Ah."
Zulheina war eine Stadt, um die sich Legenden rankten. Nur ganz selten gewährte man Fremden Zutritt zu diesem inneren Heiligtum von Zulheil. Geschäfte wurden in der Regel in der Großstadt Abraz im Norden des Landes abgeschlossen. Jasmine konnte durchaus verstehen, weshalb das Volk von Zulheil diesen Ort so eifersüchtig behütete. Diese Stadt war atemberaubend schön.
Schlanke Minarette ragten weit in den Himmel, fast schon unwirklich, so zerbrechlich wirkten sie. Der Fluss, der durch die Stadt floss, rauschte hell
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