Im Bann der Sinne
Grund, weshalb er mich sehen wollte, war der, dass Carmen ihm immer ein bisschen Geld zugesteckt hat, wenn Max nicht hinsah. Ich habe ihn seit fast zehn Jahren nicht mehr getroffen, obwohl ich von Lara gehört habe, er würde mit jemandem unten im Süden zusammenleben."
„Was war mit Lara?"
„Das hat mir am meisten wehgetan. Als wir Kinder waren, war ich derjenige, der auf sie aufgepasst und dafür gesorgt hat, dass sie etwas zu essen bekam und ab und zu gebadet wurde. Aber als sie älter wurde und merkte, dass sie das Lieblingskind der Familie war, fing sie an, Max und Carmen nachzumachen. Irgendwann war das kein Nachmachen mehr, sondern echt."
Er hatte das Gefühl gehabt, das Herz würde ihm brechcn, gerade von dem kleinen Mädchen abgelehnt zu werden, dessen Knie er hundertmal geküsst hatte, wenn es hingefallen war. Manchmal dachte er, Lara hatte ihn am stärksten verletzt. Gegen Max und Carmen war er
irgendwann immun geworden. Aber Lara hatte ihn immer mitten ins Herz treffen können.
Das war also die ganze schmutzige Geschichte. Aus Lüsternheit war er gezeugt worden. Er hatte einen biologischen Vater, der ein hoffnungsloser Trunkenbold war, einen Stiefvater, der ihn verachtete, und eine Mutter, die ihn emotional ablehnte.
Trotzdem hatte er gewagt, eine Frau zu heiraten, die nichts mit der üblen Welt zu tun hatte, der er angehört hatte.
Die meiste Zeit während ihrer Ehe war er froh gewesen, dass Vicki nicht die Wahrheit über seine Herkunft wusste. Sicher, sie hatte gesehen, dass er aus ärmlichen Verhältnissen stammte, aber das Ausmaß seiner Demütigungen hatte sie nicht einmal geahnt. Sie sollte sich niemals dafür schämen, Caleb Callaghans Frau zu sein, niemals sollte der Glanz in ihren Augen verschwinden.
„Wir sind uns ähnlich", sagte Vicki leise.
Auf diese Bemerkung war Caleb nicht vorbereitet. „Wie meinst du das?"
„Ich mag der biologische Sprössling meiner Eltern sein, aber das ist bloßer Zufall. Sie haben einander regelmäßig betrogen. Großmutter hat die ganze Schuld meiner Mutter gegeben, aber ich bin nicht dumm. Ich habe gehört, worüber die Hausangestellten getuschelt haben. Mein Vater hatte schon immer eine Vorliebe für junge Sekretärinnen." Sie zuckte die Achseln. „Das einzig Gute, was man über meine Eltern sagen kann, ist, dass sie sich scheiden ließen und nicht miteinander um mich gekämpft haben."
„Dafür haben sie dich Ada überlassen." Sein Ärger auf Ada überwog kurzzeitig seine Überraschung, dass Vicki sich und ihn als ähnlich bezeichnet hatte. „Sie hätten dich besser in ein Internat geschickt. Zumindest hättest du dann nicht ständig Beschimpfungen über dich ergehen lassen müssen."
Vicki lachte plötzlich und umarmte ihn. „Danke, dass du für mich wütend bist." Doch dann wurde ihre Miene wieder ernst. „Wenn du für mich wütend sein kannst, dann darf ich auch für dich zornig sein. Ich habe eine Grenze gezogen. Wir stellen sicher, dass Laras Kinder versorgt sind, aber alles andere liegt an ihnen selbst. Ich werde nie mehr zulassen, dass sie sich benehmen, als wäre es ihr Recht, dich um Geld und Unterstützung zu bitten, nachdem sie dir so wehgetan haben."
Niemals hätte Caleb sich träumen lassen, dass seine Frau einmal sein Beschützer sein würde und seine dunkelsten Geheimnisse einfach akzeptieren würde. Diese schlichte Erkenntnis gab ihm die Chance, sich selbst anzunehmen.
Der Schmerz über die Zurückweisung durch seine Eltern würde nicht über Nacht verschwinden, aber er würde nie wieder so stark sein wie in seiner Kindheit. Er wurde von jemandem akzeptiert, der ihm viel wichtiger war als der Mann und die Frau, die vor langer Zeit ihr Recht auf seinen Respekt verloren hatten. In seinem Leben gab es jemanden, den er mit jedem Atemzug bewunderte und verehrte.
„Danke, Liebling."
Vicki schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Wir passen gegenseitig auf uns auf. Du beschützt mich vor Queen Ada, und ich beschütze dich vor Max, Carmen und Lara. Abgemacht?"
Er musste lachen, weil sie den Spitznamen benutzte, den er für ihre Großmutter erfunden hatte. Mit Sicherheit war auch Vicki innerlich noch aufgewühlt. Doch gleichzeitig wünschte sie sich, dass er glücklich war. Wie sollte man nach so einer Frau nicht verrückt sein? „Abgemacht."
Am nächsten Tag ging Caleb beschwingt in die Arbeit, nachdem Vicki ihn zum Abschied geküsst hatte. Er versprach, rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein.
Sobald er
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