Im Bann der Versuchung
Fleisch und Blut, dachte Margaret.
Gegen Mittag segelte Dougal vom Riff zurück zur Insel, um ein paar Pläne zu holen. Alan Clarke und die anderen Arbeiter legten derweil Sprengladungen aus Schwarzpulver für den nächsten Bauabschnitt. Zur eigentlichen Sprengung, womit die Grube für das Fundament vorbereitet werden sollte, wollte Dougal dann wieder zurück sein.
Er hatte der Baroness versprochen, dass die Landschaft nicht wesentlich verändert werden würde, und er wollte sein Wort halten. Denn die Schönheit der Insel und des Riffs bedeuteten ihm genauso viel wie ihr. Aber jeder Stein des Leuchtturms sollte jenen gewidmet sein, die am Riff ihr Leben gelassen hatten. Er konnte den Tag kaum erwarten, an dem er das Leuchtfeuer ein schalten durfte, das Licht über das Wasser strich und alle, die durch diese Gewässer segelten, vor den Gefahren warnte.
Da ihm noch ein wenig Zeit blieb, bis man ihn auf Sgeir Caran zurückerwartete, wanderte Dougal über die Insel in Richtung Clachan Mor. Die Insel war nicht sehr groß, gerade mal sieben Meilen lang und drei Meilen an der breitesten Stelle. Das Great House, wie die Inselbewohner den Feriensitz der Baroness nannten, lag auf der Ostseite der Insel. Über die Machair und eine niedrige Hügelkette war es von Innish Harbour in zwei Meilen zu erreichen. Nachdem es in der Nacht ausgiebig geregnet hatte, schien nun wieder die Sonne. Weiße Schäfchenwolken segelten am blauen Sommerhimmel, und es wehte eine frische Brise. Überall auf Caransay konnte man das beruhigende Rauschen des Meeres und den Schrei der Seevögel hören.
Kein Wunder, dass der Baroness diese Insel und ihre Tierwelt so am Herzen liegt, dachte er, während er die Möwen beobachtete, die über ihm ihre Kreise zogen. Die Insel besaß eine herbe, anspruchslose Schönheit: schwarze Basaltfelsen, weiße Strände, grüne, blumenübersäte Machair, rote und weiße Heide auf den Hügeln und alles eingebettet in einen blauen Himmel und ein Meer mit weißen Schaumkronen auf den Wellen. Es war eine seltsame Ruhe, die er in dieser friedlichen Atmosphäre verspürte, in der sich die Elemente im Gleichgewicht befanden. Aber auch die ernsten, schönen Menschen und ihre faszinierenden Legenden waren ein Teil des Wunders dieser Insel. Nie würde er diese Schönheit und Ruhe zerstören - auch wenn die Baroness ihm das nicht glaubte.
Während er nachdenklich über die Insel wanderte, sah er nicht weit entfernt über einer Bucht mit einem kleinen Sandstrand Clachan Mor liegen - ein graues Steingebäude am Fuße des hei debedeckten Hügels. Wenn die Baroness auf der Insel weilte, wollte er sie dort besuchen. Dies schien ihm die bessere Lösung als ein endloser Schriftwechsel.
Plötzlich hörte er hinter den Dünen fröhliches Lachen und weibliche Stimmen. Neugierig stieg er auf den Kamm einer Düne und erblickte unten am Strand vier Frauen und zwei Kinder.
Auf einer Decke, mit einem Strohhut gegen die gleißende Sonne geschützt, Beine und Füße unter dem braunen Rock verborgen, saß Margaret MacNeill mit einem Buch im Sand. Nicht weit von ihr erkannte er Norries Frau, die mit einem kleinen blonden Jungen sprach, und Norries alte Mutter, die ein pausbäckiges Baby auf dem Arm hielt.
Eine vierte Frau, deren Gesicht unter einem schwarzen Strohhut verborgen war, watete ins Wasser, während sie den anderen lachend etwas zurief. Dann schürzte sie den schwarzen Rock ihres mondänen Badekostüms und ging langsam weiter in die Brandung.
Dougal überlegte noch, ob er sich höflich zurückziehen sollte, als der Junge sich umdrehte und ihm zuwinkte. Es war derselbe mutige Bursche, den er am Tag zuvor beim Klettern am Kliff beobachtet hatte. Dougal winkte zurück, und der Junge rannte zu ihm. Jetzt bemerkten auch die drei MacNeill-Frauen den Fremden. Margaret MacNeill stand hastig auf. Dougal vermutete, dass sie mit ihm sprechen wollte, und ging ihr über den Strand entgegen.
Der Wind zerzauste ihr Haar, drückte das Kleid fest gegen ihren Körper und gab so ihre schönen Formen, die schlanken Beine, den flachen Leib und die festen Brüste preis. Er verspürte ein starkes Schuldgefühl. Zu gut kannte er diese Frau, viel zu sehr fühlte er sich von ihr angezogen.
Sie war schön, und er konnte nicht leugnen, dass er sie begehrte. Jedes Mal, wenn er sie sah, erfasste ihn eine kaum zu beherrschende Erregung. Doch ein gestohlener Kuss und eine Ohrfeige erinnerten ihn daran, seinen Gefühlen nicht nachzugeben. Er wollte ihr Vertrauen
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