Im Bann der Versuchung
Ich habe Sie nur davon abgehalten, ins Wasser zu springen. Stell dir vor, Dougal, das Mädchen wollte dir doch wahrhaftig hinterherspringen. Ich glaube, sie wollte euch beide retten."
„Bei dem Hai hätte ich schon Hilfe gebrauchen können", meinte Dougal nachdenklich.
Iains Kopf tauchte unter der Decke hervor. „Mr. Stooar hat den Hai geboxt. Da hat er sich verzogen. Ich hatte Angst, dass er mich fressen würde."
„Ach, für einen Hai bist du viel zu zäh. Dem schmeckst du gar nicht", beruhigte Dougal den Jungen. „Und außerdem, ich habe ihn getreten."
„Unglaublich", meinte Clarke, und Norrie nickte zustimmend.
„Ach, so unglaublich ist das gar nicht. Riesenhaie sind friedliche Tiere, wie Norrie schon gesagt hat. Ich habe ihm nur einen leichten Fußtritt versetzt, und da hat er entschieden, dass er nichts mit mir zu tun haben will."
„Er ist der Each-Uisge ", sagte Iain. „Das weiß ich von Mutter Elga. Nur der kann dem Hai in den Bauch treten und ihm befehlen abzuhauen."
Dougal sah Margaret fragend an. „Wer soll ich sein?"
Sie schüttelte nur kurz den Kopf und sagte dann zu Iain: „Schau mal, Liebes, alle Leute von der Insel sind da und wollen dich begrüßen."
Der Bug lief auf Sand. Die Fischer und alle, die am Strand warteten, applaudierten. Thora kam tränenüberströmt durch die leichte Brandung zum Boot gerannt.
Kapitel 10
M argaret saß im Sand und lachte über Iain, der übermütig im Kreis um sie herum sprang und Tanzschritte für den nächsten Ceilidh übte. Die Veranstaltung, bei der man ausgelassen schottische Tänze tanzt und Lieder singt, sollte am Wochenende anlässlich seiner Rettung stattfinden. Margaret lachte so fröhlich, dass sie nicht hörte, wie ein Mann sich näherte. Sie schaute erst auf, als Iain sein Spiel abrupt beendete und der Besucher sie ansprach.
„Hallo, Lady Strathlin! Wie schön, Sie hier anzutreffen, meine Liebe. Ganz offensichtlich genießen Sie Ihre Ferientage."
„Sir Frederick!" Erschrocken sprang Margaret auf. „Was machen Sie denn hier?"
Wie stets war Sir Frederick elegant gekleidet, schwarzer Gehrock mit passender Weste, blaues Halstuch, karierte Hose, teures Schuhwerk. Er war eine auffallende Erscheinung, nicht besonders hübsch, aber eine stolze Gestalt mit langer Hakennase und markanten Gesichtszügen. Fast drei Jahrzehnte älter als Margaret war er und konnte die grauen Haare im Backenbart und im ölig geschniegelten Haupthaar längst nicht mehr verstecken.
Selten konnte sie ihm unbefangen in die dunkelbraunen Augen schauen. Klug und aufmerksam blickten sie ihr Gegenüber an, manchmal auch etwas hinterlistig, fand sie. Vielleicht spiegelte das jedoch seinen Sinn für Pragmatismus wider, denn was Finanzen und gesellschaftliche Fragen anbetraf, hatte sie bedingungsloses Vertrauen zu ihm. Sie hatte auch viel Verständnis und Hochachtung für seine ehrliche Trauer, nachdem seine Frau vor einem Jahr plötzlich verstorben war.
„Lauf, spiel woanders, kleiner Mann", befahl er streng. Iain blickte erschrocken zu Margaret und rannte davon.
Sir Frederick sah sie bewundernd an. „Reizend sehen Sie heute aus, meine Liebe. Wenn Sie sich in den Ferien immer so kleiden, dann hätte ich viel eher kommen sollen. Was soll das vorstellen? Die Schäferin vom Lande?" Er verbeugte sich. „Dann bin ich König Cophetua und Sie die schöne Bettlerin, in die er sich verliebt."
Verstohlen wischte Margaret sich die Hände an ihrem Rock ab und vergrub die nackten Füße im Sand. „Weshalb sind Sie nach Caransay gekommen, Sir Frederick?"
„Ach, meine Liebe, ich komme doch auf Ihre ganz persönliche Einladung."
„Meine Einladung? Ich habe Sie nicht gebeten ..." Ihr fiel ein, dass ihn ihre Antwort wohl nicht erreicht hatte. Sie konnte nur hoffen, dass er ihr vermeintliches Schweigen nicht als Einwilligung gedeutet hatte. „Na ja, nun sind Sie einmal hier. Ich hoffe, es gefällt ihnen auf unserer kleinen Insel."
Steif und geziert stand er da und sah sich gelangweilt um. „Ein nettes Plätzchen. Sicher sehr erholsam. Wenig Abwechslung hier ... aufs Meer schauen und ... im Sand spielen. Ich dachte, Sie würden sich über ein geistreiches Gespräch freuen." Er blickte zu Iain, der mit einer großen Muschel ein Loch in den Sand grub. „Sie achten doch hoffentlich auf Ihre Haut, meine Liebe. Meine Mutter sagt immer, ein zarter, heller Teint ist das größte Vermögen einer Frau. Sie sind schon ein wenig gebräunt von der Sonne. Das steht Ihnen wirklich
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