Im Bann der Wüste
…«
Eine schwielige Hand legte sich auf Mappos Schulter, drückte sie kurz und fest und wurde dann zurückgezogen, als Fiedler an dem Trell vorbeiging.
»Für mich scheint die Antwort klar auf der Hand zu liegen, Icarium«, sagte der Soldat und stellte sich neben den Jhag. »Die Macht eines Aufgestiegenen. Für diese Verwüstung ist die Wut eines Gottes oder einer Göttin verantwortlich. Wie viele Geschichten von alten Reichen, die sich in ihrem Stolz zu hoch emporgestreckt haben, habt Ihr gehört? Wer waren – um bei einem beliebigen Beispiel anzufangen – die Sieben Heiligen? Wer auch immer sie waren, sie wurden hier verehrt, in dieser Stadt und zweifellos auch in den Schwesterstädten überall in der Raraku. Sieben Throne … Seht Euch die Wut an, mit der sie vernichtet wurden. Für mich sieht das aus, als wäre das etwas … Persönliches gewesen. Hier hat die Hand eines Gottes oder einer Göttin zugeschlagen, Icarium – doch wer immer es auch war, ist seither aus dem Bewusstsein der Sterblichen entschwunden, denn zumindest mir fällt kein bekannter Aufgestiegener ein, der in der Lage wäre, solche Macht auf der Ebene der Sterblichen zu entfesseln, wie es hier geschehen ist …«
»Oh, sie könnten«, sagte Icarium, und ein Hauch neuer Kraft und Lebendigkeit war in seiner Stimme, »aber sie haben mittlerweile bemerkt, dass es viel besser ist, sich auf subtile Weise in die Aktivitäten der Sterblichen einzumischen. Die alte Vorgehensweise war in jeder Hinsicht zu gefährlich. Ich glaube fast, du hast meine Frage beantwortet, Fiedler …«
Der Sappeur zuckte die Schultern.
Mappo stellte fest, dass sein Herz wieder ruhiger schlug. Denk bitte nicht mehr über das eine Artefakt nach, das nicht zerstört wurde, Icarium. Schweiß tropfte von seiner Stirn, malte ein unregelmäßiges Muster in den Sand; Mappo zitterte, holte tief Luft. Er warf einen Blick auf Crokus. Die Aufmerksamkeit des Burschen war auf irgendetwas anderes gerichtet, und er trug eine derart einstudierte Pose beiläufiger Gleichgültigkeit zur Schau, dass der Trell anfing, sich über seinen Geisteszustand Gedanken zu machen.
»Vierundneunzigtausend Jahre – das muss ein Fehler sein«, sagte Icarium. Er wandte den Blick von dem Artefakt ab, lächelte dem Trell müde zu.
Die Szene verschwamm vor Mappos Augen. Er nickte und schaute weg, kämpfte gegen eine neue Woge des Kummers an.
»Also«, sagte Fiedler, »wollen wir dann die Verfolgung von Apsalar und ihrem Vater wieder aufnehmen?«
Icarium schüttelte sich, murmelte: »Ja … Wir sind nah dran … an vielen Dingen, wie es scheint.«
Oh ja, dies ist in der Tat eine gefährliche Reise.
In jener Nacht des Abschieds vor all den Jahrhunderten, in den Stunden, als die letzten alten Loyalitäten rituell von ihm genommen wurden, hatte Mappo im rauchigen Innern ihrer Jurte vor der ältesten Schulterfrau des Stammes gekniet. »Ich muss mehr wissen«, hatte er geflüstert. »Ich muss mehr über diese Namenlosen wissen, die so etwas von mir verlangen. Sind sie einem Gott verschworen?«
»Das waren sie einst, aber sie sind es nicht mehr«, hatte die alte Frau geantwortet, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Hatte sie es nicht gekonnt – oder hatte sie es nicht gewollt? »Ausgestoßen, hinabgestoßen. In der Zeit des Ersten Imperiums, das in Wirklichkeit gar nicht das erste war, denn diesen Titel hatten die T’lan Imass bereits lange zuvor beansprucht. Sie waren die linke Hand, eine andere Sekte war die rechte Hand – beide lenkten, und sie sollten sich die Hand reichen. Stattdessen haben jene, die namenlos werden würden, auf ihren Reisen in die Geheimnisse – « Sie machte mit einer Hand eine hackende Bewegung, eine Geste, die Mappo bei den Alten des Stammes noch niemals zuvor gesehen hatte. Und dann zuckte er zusammen, als ihm klar wurde, dass es die Geste eines Jhag war. »Die Geheimnisse eines anderen führten sie in die Irre. Sie verbeugten sich vor einem neuen Herrn. Das ist alles, was es in dieser Angelegenheit zu sagen gibt.«
»Wer war dieser neue Herr?«
Die Frau schüttelte den Kopf, wandte sich ab.
»Wessen Kraft wohnt in den Stäben, die sie bei sich tragen?«
Sie würde ihm nicht antworten.
Seither war viel Zeit vergangen, und Mappo glaubte, dass er die Antwort auf diese Frage mittlerweile gefunden hatte. Doch es war ein Wissen, das keinerlei Trost brachte.
Als das Tageslicht allmählich blasser wurde, machten sie sich auf den Weg über die Lehm-Ebene und ließen
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