Im Bann der Wüste
begeistert, mich wieder zu sehen, dass er ein bisschen über die Stränge geschlagen hat.«
Sie machten sich auf den Weg zum Labyrinth; der Himmel über ihnen hatte die Farbe von poliertem Eisen.
Gesler kam zu der Stelle herüber, wo Duiker, Bult und Hauptmann Lull dünnen Kräutertee tranken. Das Gesicht des Korporals war rot und um die gebrochene Nase herum geschwollen, seine Stimme ein raues Krächzen. »Wir können niemanden mehr an Bord nehmen, also rudern wir los, um den letzten Rest der Flut auszunutzen.«
»Wie schnell können diese untoten Ruderer euch nach Aren bringen?«, fragte Lull.
»Das wird nicht lange dauern. Höchstens drei Tage. Macht Euch keine Sorgen, wir werden keinen der Verwundeten unterwegs verlieren, Hauptmann – «
»Und wieso bist du dir da so sicher, Korporal?«
»An Bord der Silanda sind die Dinge … irgendwie zeitlos. Von all den abgetrennten Köpfen rinnt noch das Blut – nur, dass sie bereits seit Monaten, Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten von ihren Körpern getrennt sind. Nichts verfault. Bei Feners Hauern, wir können uns noch nicht einmal Bärte wachsen lassen, wenn wir an Bord sind, Hauptmann.«
Lull grunzte.
Es war eine Stunde vor Anbruch der Morgendämmerung. Die Geräusche aus Korbolo Doms Lager, die auf hektische Geschäftigkeit hindeuteten, hatten die ganze Nacht nicht aufgehört. Schutzzauber hinderten die wickanischen Waerlogas daran zu erkennen, was dort geschah. Die Unwissenheit zerrte an ihren Nerven.
»Fener beschütze euch alle«, sagte Gesler.
Duiker blickte auf, um dem Mann in die Augen sehen zu können. »Bring unsere Verwundeten sicher nach Aren, Korporal.«
»Ja, Historiker, genau das werden wir tun. Und vielleicht können wir ja sogar Noks Flotte aus dem Hafen holen oder Pormqual so beschämen, dass er sich endlich auf den Weg macht. Blistig, der Hauptmann der Stadtgarnison, ist ein guter Mann; wenn er nicht für den Schutz von Aren verantwortlich wäre, wäre er schon längst hier. Wie auch immer, vielleicht können wir beide dafür sorgen, dass die Hohefaust so etwas wie Rückgrat zeigt.«
»Ganz wie du sagst«, murmelte Lull. »Macht jetzt, dass ihr loskommt, Korporal; du bist fast genauso hässlich wie ich, und der Anblick dreht mir den Magen um.«
»Wir haben noch ’ne Menge Tiste-Andii-Augen übrig, Hauptmann. Wenn Ihr also probieren wollt, ob eins davon passt, dann ist das jetzt Eure letzte Chance.«
»Ich verzichte, Korporal, aber danke für das Angebot.«
»Nicht der Rede wert, Hauptmann. Lebt wohl, Historiker. Tut mir Leid, dass das mit Heboric und Kulp nicht besser gelaufen ist.«
»Ihr habt es besser hingekriegt, als irgendjemand hätte hoffen können, Gesler.«
Mit einem Achselzucken drehte Gesler sich zu dem wartenden Beiboot um. Dann blieb er noch einmal stehen. »Oh, Kommandant Bult.«
»Ja?«
»Richtet der Faust meine Entschuldigung für die gebrochene Hand aus.«
»Sormo hat es geschafft, die Verletzung zu heilen, Korporal, aber ich werde der Faust deine Worte trotzdem ausrichten.«
»Wisst Ihr, Kommandant«, sagte Gesler einen Moment, bevor er in das Boot stieg, »mir ist gerade aufgefallen, dass Ihr und der Hauptmann zusammen drei Augen, drei Ohren und einen fast vollständigen Haarschopf habt.«
Bult drehte sich um und warf dem Korporal einen finsteren Blick zu. »Was meinst du damit?«
»Nichts. Ist mir nur so aufgefallen, Kommandant. Wir sehen uns alle in Aren.«
Duiker sah zu, wie der Mann durch die gelbe Schicht auf dem Fluss ruderte. Wir sehen uns alle in Aren. Das war ziemlich kläglich, Korporal, aber es war gut gemeint.
»Für den Rest meines Lebens«, sagte Lull seufzend, »werde ich mich an Gesler als den Mann erinnern, der sich die Nase gebrochen hat, um sich selbst eins auszuwischen.«
Bult grinste, schüttete die letzten Tropfen Tee aus seinem Becher auf den schlammigen Boden und erhob sich, wobei seine Gelenke knirschten. »Mein Neffe mag den Burschen, Hauptmann.«
»War es nur eine Frage des Misstrauens, Onkel?«, fragte Duiker und schaute auf.
Bult starrte einen Augenblick auf ihn hinunter, dann zuckte er die Schultern. »Coltaine würde Euch sagen, dass es so war, Historiker.«
»Aber was denkt Ihr?«
»Ich bin zu müde zum Denken. Wenn Ihr wild entschlossen seid herauszufinden, was die Faust über Korbolo Doms Angebot denkt, solltet Ihr versuchen, ihn selbst zu fragen.«
Sie schauten dem Kommandant hinterher, wie er langsam davonging – Lull grunzte. »Ich kann es kaum erwarten,
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