Im Bann der Wüste
abspielte – doch der Abhang voraus war zu erkennen, genau wie der Vathar, auf den sie mit der Geschwindigkeit einer Lawine zuströmten. Die gesamte Furt war voller Flüchtlinge. An den Rändern wurden Menschen ins tiefere Wasser gestoßen – Duiker sah Köpfe auftauchen und wieder verschwinden, fuchtelnde Arme, die gegen den Matsch aus Schmetterlingsleichen ankämpften, während die Strömung sie immer weiter auf die Brücke mit den Pikenieren zutrug.
Ein gewaltiger Aufschrei des Entsetzens stieg von den Menschen in der Furt auf. Sie hatten die Gesichter flussaufwärts gewandt und starrten etwas an, das der Historiker nicht sehen konnte.
Das Dutzend Reiterkrieger erreichte die Lichtung am gegenüberliegenden Ufer. Er sah, wie sie hastig Pfeile auflegten und sich den ein Stück flussaufwärts gelegenen Baumreihen zuwandten. Und dann taumelten die Wickaner plötzlich, stürzten von ihren Reittieren; gefiederte Schäfte ragten aus ihren Körpern. Die Pferde wieherten voller Angst und brachen zusammen.
Die Wagen der Adligen klapperten und rasselten ans Ufer und blieben dann stehen, als die Ochsen, die sie zogen, unter einem Pfeilhagel zu Boden gingen.
Die Furt war blockiert.
Panik ergriff nun die Flüchtlinge, die als menschliche Woge zur Furt hinabrollten. Duiker brüllte, doch er war hilflos und wurde mit in das gelb verschmierte Wasser gerissen. Er erhaschte einen Blick auf das, was sich von flussaufwärts näherte – eine zweite schwimmende Brücke, dicht an dicht mit Bogenschützen und Pikenieren gespickt. An beiden Ufern hatten Mannschaften Seile ergriffen und lenkten die Brücke, während die Strömung sie näher und näher an die Furt herantrug.
Pfeile schossen durch die Wolken aus durcheinander wirbelnden Schmetterlingen und senkten sich auf die Flüchtlinge herab.
Es gab kein Verstecken, keine Zuflucht.
Der Historiker fand sich inmitten eines Albtraums wieder. Überall um ihn herum starben unbewaffnete Zivilisten in dem schrecklichen Gesurre und Geklapper. Der Mob wogte hierhin und dorthin, war gefangen in von Angst regierten, hilflosen Strudeln. Kinder verschwanden unter der Wasseroberfläche, wurden in den Matsch getrampelt.
Eine Frau stürzte gegen Duiker. Er schlang die Arme um sie und versuchte, sie aufrecht zu halten, doch dann sah er den Pfeil, der zuerst das Kind auf ihren Armen und dann ihre Brust durchbohrt hatte. Er schrie vor Entsetzen auf.
Die Seesoldatin tauchte plötzlich an seiner Seite auf, drückte ihm ein Stück Seil in die Hand. »Nimm das!«, rief sie. »Halt dich gut fest – wir sind drüben – lass nicht los!«
Er schlang sich das Seil um die Handgelenke. Vor der Seesoldatin erstreckte sich zwischen den sich hebenden und senkenden Körpern der Strand – und geriet wieder außer Sicht. Er spürte, wie sich das Seil straffte, wurde vorwärts gezogen.
Unablässig regneten Pfeile herab. Einer streifte die Wange des Historikers, ein anderer prallte von dem Kettenhemd ab, das seine Schulter schützte. Er wünschte sich im Namen jeden Gottes, den er kannte, dass er sich den Helm aufgesetzt hätte, anstatt ihn an den Gürtel zu binden, wo er schon längst abgerissen und verloren gegangen war.
Der Zug auf dem Seil war gleichmäßig und unbarmherzig; er zog ihn durch den Mob, über Menschen hinweg und unter ihnen hindurch. Mehr als einmal wurde er unter Wasser gedrückt, nur um ein halbes Dutzend Schritte weiter spuckend und keuchend wieder aufzutauchen. Einmal, als er über die wimmelnde Masse hinweggezogen wurde, sah er ein Stück voraus magische Blitze aufzucken, eine donnernde Woge, dann wurde er wieder nach unten gedrückt, drehte die Schulter, um grob zwischen zwei schreienden Zivilisten hindurchgezogen zu werden.
Die merkwürdige Reise schien kein Ende zu nehmen; sie traktierte ihn mit surrealen Eindrücken, bis er völlig betäubt war und sich wie ein Gespenst fühlte, das durch die ganze menschliche Geschichte gezerrt wurde, durch eine endlose Prozession von Schmerz, Leiden und schmachvollem Tod. Der Angelhaken des Glücks, den das Schicksal auswarf, war mit eisernen Widerhaken versehen, vom Himmel gesandt und das Vergessen von alledem, was darunter wartete. Es gibt kein Entkommen – das ist eine weitere Lektion, die uns die Geschichte lehrt. Sterblichkeit ist ein Besucher, der niemals lange wegbleibt …
Dann wurde er über nasse, schlammverschmierte Leiber und vom Blut glitschigen Lehm gezogen. Die Pfeile hagelten nicht mehr vom Himmel herab, sondern kamen flach
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