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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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aufgerissenen Augen starrten, doch er nahm kaum wahr, was er sah.
    Seine Gefährten lagen zusammengekrümmt am Boden. Die Hunde duckten sich, pressten sich flach auf die Wurzeln; die mächtigen Tiere hatten die Ohren angelegt und zitterten. Mappo kauerte über der lang ausgestreckten, reglosen Gestalt von Icarium. Der Trell hielt seine Knochenkeule in der Hand; an der flachen Seite klebten frisches Blut und ein paar verfilzte, lange rötliche Strähnen. Endlich ließ Mappo die Waffe fallen und hielt sich die Ohren zu.
    Bei den Göttern, es wird uns noch alle umbringen – aufhören! Aufhören verdammt noch mal!
    Er begriff, dass er verrückt wurde; seine Augen betrogen ihn, denn jetzt sah er eine Wand, eine Wand aus Wasser, eisgrau und mit Spinnweben aus Schaum, die den Pfad entlang auf sie zukam, die immer höher aufwuchs, den Wurzelwänden entging und nach außen wankte. Und dann stellte er plötzlich fest, dass er in die Wand hineinsehen konnte, als sie sich in flüssiges Glas verwandelt. Wracks, Fundamente, deren scharfe Kanten durch Algenbewuchs runder wirkten, die verrottenden Überreste versunkener Schiffe, verkrustete, formlose Stücke aus oxidiertem Metall, Knochen, Schädel, Fässer und Kisten mit Bronzebändern, zersplitterte Masten und Ausrüstungsgegenstände – die versunkenen Erinnerungen zahlloser Zivilisationen, eine Lawine aus tragischen Ereignissen, Zerstörung und Verfall.
    Die Woge begrub sie unter sich, drückte sie alle mit ihrem ungeheuerlichen Gewicht, ihrer unbarmherzigen Kraft nieder.
    Und dann war sie fort, ließ sie staubtrocken zurück. Stille erfüllte die Luft, allmählich durchbrochen von schweren keuchenden Atemzügen, dem Winseln von Tieren, dem gedämpften Rascheln von Kleidungsstücken und Waffen.
    Fiedler hob den Kopf, stemmte sich auf Hände und Knie. Geisterhafte Überreste der Flutwelle schienen ihn noch immer innerlich zu besudeln; sie durchdrangen ihn und erfüllten ihn mit unbeschreiblichem Kummer.
    Enthält es eine Art Schutzzauber?
    Der Geistergänger hatte gelächelt. In gewisser Weise, ja.
    Und ich hatte vor, das verdammte Ding in G’danisban zu verkaufen. Mein letzter Knaller war eine verdammte Schneckenmuschel – ich hab’s nie überprüft, nicht ein einziges Mal. Beim Atem des Vermummten!
    Es dauerte eine ganze Weile, bis der Sappeur die neuerliche Spannung spürte, die in der Luft lag. Er blickte auf. Mappo hatte seine Keule wieder aufgehoben und stand jetzt über Icariums bewusstloser Gestalt. Die Hunde strichen mit gesträubtem Fell um ihn herum.
    Fiedler suchte nach seiner Armbrust. »Iskaral Pustl! Ruft sofort die verdammten Hunde zurück!«
    »Die Abmachung. Der Azath wird ihn gefangen nehmen!«, sagte der Hohepriester keuchend; er litt anscheinend noch immer unter den betäubenden Nachwirkungen der Tenno-Zauberei. »Jetzt ist es so weit!«
    »Nein«, grollte der Trell.
    Fiedler zögerte. Die Abmachung. Mappo. Icarium hat ganz deutlich gesagt, was er will … »Ruft sie zurück, Pustl«, sagte er und ging auf den nervösen, ein wenig abseits stehenden Hohepriester zu. Er schob eine Hand in seinen Munitionsbeutel und schwang den Ledersack herum, bis er vor seinem Bauch lag. »Ich hab noch einen letzten Sprengkörper, und selbst wenn die Hunde aus massivem Marmor wären, würde ihnen das nichts helfen, wenn ich auf das falle, was ich hier in der Hand halte.«
    »Verdammte Sappeure! Wer hat sich die bloß ausgedacht? Das ist doch Wahnsinn!«
    Fiedler grinste. »Wer sie sich ausgedacht hat? Nun, Kellanved, wer sonst – der dann aufgestiegen und zu Eurem Gott geworden ist, Pustl. Ich habe eigentlich gedacht, Ihr wüsstet die Ironie zu schätzen Hohepriester.«
    »Die Abmachung – «
    »Wird noch ein bisschen länger warten müssen. Mappo, wie hart habt Ihr zugeschlagen? Wie lange wird er bewusstlos sein?«
    »Solange ich es will, mein Freund.«
    Mein Freund. Und in diesen Worten noch drei andere: »Ich danke dir.«
    »Also gut. Ruft die Köter zurück, Pustl. Wir gehen zum Haus.«
    Der Hohepriester hörte auf, im Kreis herumzutorkeln; er blieb stehen, wiegte sich langsam vor und zurück. Dann warf er Apsalar einen Blick zu und bedachte sie mit einem breiten Grinsen.
    »Tut, was der Soldat gesagt hat«, sagte sie.
    Das Grinsen verschwand. »Die Jugend von heute kennt keine Loyalität. Es ist eine Schande. Es ist ganz und gar nicht mehr so, wie es früher einmal war. Findest du nicht auch, Diener?«
    Apsalars Vater verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ihr

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