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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Nachhut, da die Gruppe vor dem näher kommenden Albtraum namens Gryllen zurückwich. »Dieser Vielwandler hat ein paar überaus mächtigen Wesen das Leben gestohlen«, hatte Apsalar gesagt, und Mappo, der versuchte, Icarium mit sich zu ziehen, hatte genickt. »Gryllen hat noch nie zuvor solche … Leistungsfähigkeit gezeigt …«
    Leistungsfähigkeit. Fiedler grunzte, kaute auf dem Wort herum. Das letzte Mal, als sie diesen Vielwandler gesehen hatten, waren es Hunderte von Ratten gewesen. Jetzt waren es Tausende, vielleicht sogar Zehntausende – er konnte ihre Zahl nur schätzen.
    Auch Giar hatte sich wieder zu ihnen gesellt und führte jetzt ihren Rückzug durch Seitengänge und enge Tunnel an. Sie suchten nach einer Möglichkeit, Gryllen zu umgehen – etwas anderes blieb ihnen kaum übrig.
    Bis Icarium die Kontrolle über sich verliert, und bei den Göttern, er ist knapp davor. Viel zu knapp.
    Der Sappeur griff in seinen Munitionsbeutel; seine Finger berührten seinen letzten Sprengkörper, tasteten weiter, fanden stattdessen eine weitere Brandbombe. Er hatte keine Zeit, sie an einem Bolzen zu befestigen – er hatte sowieso fast keine mehr. Die vordersten Kreaturen des Schwarms, die auf ihn zuhasteten, waren kaum mehr ein halbes Dutzend Schritte entfernt. Fiedlers Herz klopfte wild in seiner Brust – Hab ich sie diesmal zu nahe rankommen lassen? Beim Atem des Vermummten! Er schleuderte die Granate.
    Geröstet sollt ihr werden!
    Eine Woge aus Leibern verschluckte das flüssige Feuer, rollte darüber hinweg und wogte auf ihn zu.
    Der Sappeur drehte sich um und rannte los.
    Beinahe wäre er in Shans blutverschmierten Fängen gelandet. Fluchend machte Fiedler einen Satz zur Seite, landete flach auf dem Bauch zwischen Stiefeln und Mokassins. Die Gruppe hatte Halt gemacht. Er kämpfte sich auf die Beine. »Wir müssen abhauen!«
    »Und wohin?« Die Frage kam von Crokus, in einem trockenen, bedeutungsschwangeren Tonfall.
    Sie befanden sich an einer Biegung des Korridors, und an beiden Enden des Ganges brodelte eine massive Mauer aus Ratten.
    Vier Hunde griffen den etwas entfernteren Schwärm an; nur Shan blieb bei der Gruppe – und nahm den Platz von Blind ein, gefährlich dicht bei Icarium.
    Der Jhag stieß einen Wutschrei aus und schleuderte Mappo anscheinend ohne jede Anstrengung mit einem Schulterzucken von sich. Der Trell stolperte, verlor das Gleichgewicht und krachte mit Gepolter auf den Wurzelfußboden.
    »Duckt euch, alle!«, schrie Fiedler, während er blindlings in seinen Munitionsbeutel griff; seine Hand schloss sich um das große, glatte Objekt darin.
    Mit einem klagenden Geheul zog Icarium sein Schwert. Holz knackte zur Antwort, zuckte zurück. Der eisengraue Himmel verfärbte sich karmesinrot, begann direkt über ihnen einen Wirbel zu bilden. Pflanzensaft sprühte von den Wänden wie Schneeregen, bespritzte alle.
    Shan griff Icarium an, doch sie wurde von einem beiläufigen Fausthieb beiseite geschleudert; der Jhag schien den Angriff kaum richtig bemerkt zu haben.
    Fiedler starrte Icarium einen Augenblick länger an; dann zog der Sappeur den Sprengkörper aus dem Beutel, wirbelte herum und schleuderte ihn auf den Vielwandler.
    Doch es war kein Sprengkörper.
    Aus weit aufgerissenen Augen sah Fiedler zu, wie die Schneckenmuschel auf den Wurzelfußboden prallte und wie Glas zerbarst.
    Er hörte ein lautes Krachen hinter sich, hatte jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken, was das wohl bedeuten mochte – und dann erstarben alle anderen Geräusche, als eine flüsternde Stimme aus der zerbrochenen Muschel – aus dem Geschenk eines Tanno-Geistergängers – aufstieg … Das Flüstern erfüllte die Luft, ein Lied der Knochen, das lauter wurde, als es nach außen schwappte.
    Auf beiden Seiten des Gangs versuchte die wogende Masse aus Ratten zurückzuweichen, doch es gab keinen Ort, wohin sie fliehen konnten – das Geräusch hüllte alles ein. Die Kreaturen begannen in sich zusammenzufallen, ihr Fleisch verschwand, und es blieben nur Fell und Knochen zurück. Das Lied holte sich das Fleisch und wuchs dadurch.
    Gryllen schrie seinen Schmerz und sein Entsetzen in einem tausendstimmigen Kreischen heraus. Und auch dieser qualvolle Ausbruch wurde verschlungen, verspeist.
    Fiedler schlug sich die Hände auf die Ohren, als das Lied in seinem Innern hartnäckig widerhallte – eine Stimme, die alles andere als menschlich, alles andere als sterblich war. Er wandte sich ab, fiel auf die Knie. Seine weit

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