Im Bann der Wüste
ihr bewunderte die Männer dafür, dass sie sich weigerten zu erzittern. Der Älteste der drei war der uralte, verhutzelte Bidithal – derjenige, der sie als Antwort auf seine Visionen zuerst gefunden hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Seine trüben Augen waren auf die ihren gerichtet. Erinnerst du dich an das Kind, Bidithal? An das kleine Mädchen, das du in jener ersten und einzigen Nacht so brutal missbraucht hast, um ihr alle Freuden des Fleisches für immer auszutreiben. Du hast sie innerhalb ihres eigenen Körpers gebrochen, hast Narben zurückgelassen, an denen sie nichts mehr spüren konnte, die völlig gefühllos waren. Das Mädchen würde sich nicht mehr ablenken lassen, nicht von ihren eigenen Kindern, nicht von einem Mann an ihrer Seite, der der Göttin ihre Loyalität rauben und für sich beanspruchen könnte. Bidithal, ich habe für dich einen Platz im glühenden Abgrund reserviert, wie du sehr wohl weißt. Aber im Augenblick wirst du mir dienen. Knie nieder.
Sie sah aus zwei Blickwinkeln – der eine ganz nah am Geschehen, der andere von dem weit weg gelegenen Aussichtspunkt der Plattform aus –, wie der alte Mann niedersank und dabei seine Gewänder um sich herum zusammenraffte. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem nächsten Mann zu. Febryl, der feigste und hinterhältigste meiner Hohemagier. Drei Mal hast du versucht, mich zu vergiften, und drei Mal hat Dryjhnas Macht das Gift in meinen Adern ausgebrannt – und doch habe ich dich kein einziges Mal verdammt. Hast du geglaubt, ich hätte deine Versuche nicht bemerkt? Und dein ältestes Geheimnis – die Tatsache, dass du vor der letzten Schlacht vor Passem Ultor geflohen bist, dass du unsere Sache verraten hast –, hast du geglaubt, ich wüsste wirklich nichts davon? Nichtsdestotrotz brauche ich dich, denn du bist der Magnet für die Abweichler, für diejenigen, die mich betrügen würden. Auf die Knie, du Bastard! Sie fügte dem Befehl eine Woge der Macht hinzu, die den Mann wie eine unsichtbare riesige Hand zu Boden drückte. Winselnd krümmte er sich im weichen Sand.
Und schließlich kommen wir zu dir, L’oric. Du bist das einzige wirkliche Geheimnis für mich. Deine magischen Fähigkeiten sind gewaltig, besonders wenn es darum geht, eine undurchdringliche Barriere um dich herum zu weben. Ich weiß nicht, wie dein Verstand arbeitet, genauso wenig wie ich weiß, wie groß deine Loyalität wirklich ist. Und obwohl du treulos wirkst, halte ich dich für den Zuverlässigsten. Denn du bist ein Pragmatiker, L’oric. Genau wie Leoman. Trotzdem wägst du immer alles ab – jede meiner Entscheidungen, jedes meiner Worte. Dann urteile jetzt also, Hohemagier, und entscheide dich.
Er fiel auf ein Knie, beugte den Kopf.
Felisin lächelte. Eine halbherzige Entscheidung. Wirklich sehr pragmatisch, L’oric. Ich habe dich vermisst.
Sie sah, wie er im Schatten seiner Kapuze sarkastisch lächelte.
Nachdem sie mit den drei Männern fertig war, richtete Felisin ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Menge, die auf ihre nächste Ankündigung wartete. Stille erfüllte die Luft. Was bleibt noch? »Wir müssen marschieren, meine Kinder. Doch das allein ist nicht genug. Wir müssen ankündigen, was wir tun wollen, damit alle es sehen können.«
Die Göttin war bereit.
Felisin – die Wiedergeborene Sha’ik – hob die Arme.
Der goldene Staub wirbelte über ihr auf, drehte sich zu einer Säule zusammen. Sie wuchs. Die Fontäne aus tosendem Wind und Staub spross, kletterte himmelwärts, zog den goldenen Mantel der Wüste an sich; ein Atem, der die gewaltige Kuppel nach allen Seiten hin klärte und eine blaue Weite enthüllte, die monatelang nicht zu sehen gewesen war.
Und noch immer wuchs die Säule, wallte höher und höher.
Der Wirbelwind war nichts weiter als eine Vorbereitung auf das hier. Das hier – Dryjhnas Banner aufzurichten, den Speer, der die Apokalypse ist. Ein Banner, das sich über einem ganzen Kontinent erhebt und von allen gesehen wird. Jetzt, endlich, fängt der Krieg an. Mein Krieg.
Den Kopf in den Nacken gelegt, ließ sie ihren magischen Seherblick sich an dem laben, was bis zum äußersten Rand des Himmelszelts aufstieg. Sieh nur, liebe Schwester … sieh nur, was du aus mir gemacht hast.
Die Armbrust ruckte in Fiedlers Hand. Eine Blume aus Feuer erblühte in der wogenden Masse aus unzähligen Ratten, versengte und röstete die Kreaturen zu Dutzenden.
Der Sappeur, der bisher an der Spitze gegangen war, war nun plötzlich die
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