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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich werde es Euch zeigen.«
    Stumm drängten sie sich durch die schweigende Menge. Die Bewegungen der Flüchtlinge und Soldaten, die an allen Ecken damit beschäftigt waren, das Lager herzurichten, wirkten hölzern. Sie verhielten sich, als wären sie gar nicht richtig bei der Sache. Niemand gab sich damit ab, Zelte aufzubauen; sie rollten einfach ihre Decken auf den flachen Felsen aus. Kindern saßen reglos dabei und sahen zu, sie hatten die Augen alter Männer und Frauen.
    Die Lager der Wickaner waren kaum besser. Es gab keine Möglichkeit, vor dem, was geschehen war, davonzulaufen, vor den Bildern und Szenen, die wieder und wieder aus der Erinnerung aufstiegen und unbarmherzig vor dem geistigen Auge abliefen. Jede zerbrechliche weltliche Geste von Normalität war unter der Last des Wissens zerschmettert worden.
    Doch es gab auch Wut, glühend heiß und tief vergraben, außer Sicht, wie mit Torf ummantelt. Dieses Gefühl war das Letzte, das noch ein bisschen Kraft verlieh. Und so ziehen wir weiter. Tag um Tag, kämpfen jede Schlacht – die in unserem Innern und die auf dem Schlachtfeld – mit unbeugsamer Wildheit und Entschlossenheit. Wir sind alle an jenem Ort, wo Lull jetzt lebt – einem Ort, an dem es kein vernünftiges Denken mehr gibt, gefangen in einer Welt ohne Zusammenhalt.
    Als sie die Vorhut erreichten, gerieten sie mitten in eine ungewöhnliche Situation. Vor Coltaine, Bult und Hauptmann Lull standen die letzten Pioniere in einer unordentlichen Reihe.
    Die Faust drehte sich um, als sie Duiker und List herankommen hörte. »Ah, das ist gut. Ich möchte, dass Ihr Zeuge dieser Angelegenheit werdet, Historiker.«
    »Was habe ich bisher verpasst?«
    Bult grinste. »Nichts. Wir haben gerade die ungeheuerliche Aufgabe, die Sappeure zusammenzutrommeln, erfolgreich abgeschlossen  – und ich habe immer gedacht, die Kämpfe gegen Kamist Reloe wären die Albträume eines jeden Strategen. Aber egal … Hier sind sie, und sie sehen aus, als erwarteten sie, gleich aus dem Hinterhalt überfallen zu werden – oder Schlimmeres.«
    »Und – haben sie Grund für ihre Befürchtungen?«
    Das Grinsen des Kommandanten wurde noch breiter. »Vielleicht …«
    Coltaine trat jetzt vor die versammelten Soldaten. »Symbole der Tapferkeit und Gesten der Anerkennung können in unserer Situation nur hohl wirken – das weiß ich wohl, doch was bleibt mir sonst noch übrig? Drei Clan-Häuptlinge sind zu mir gekommen, und jeder hat mich darum gebeten, an euch Männer und Frauen herantreten und euch eine offizielle Aufnahme in ihren Clan anbieten zu dürfen. Vielleicht seid ihr euch der Bedeutung einer solchen, bisher noch nie da gewesenen Anfrage nicht bewusst … oder vielleicht seid ihr es doch, nach eurem Gesichtsausdruck zu urteilen. Ich habe das dringende Bedürfnis verspürt, in eurem Namen zu antworten, denn ich weiß mehr von euch Soldaten als die meisten Wickaner einschließlich ihrer Clan-Häuptlinge, und sie haben ihre Bitte demütig zurückgezogen.«
    Er schwieg mehrere Herzschläge lang.
    »Nichtsdestotrotz«, fuhr Coltaine schließlich fort, »wollte ich euch wissen lassen, dass sie euch auf diese Weise ehren wollten.«
    Oh Coltaine, selbst du verstehst diese Soldaten nicht gut genug. Die finsteren Gesichter, die da vor dir aufgereiht sind, sehen zwar vielleicht nach Missbilligung oder sogar nach Widerwillen aus – aber hast du sie schon jemals lächeln sehen?
    »So bleibt mir jetzt nur noch, den Traditionen des malazanischen Imperiums zu folgen. Es gibt genug Augenzeugen, die die Geschichte eurer Taten an der Furt in allen Einzelheiten erzählt haben; einer von euch hat sich ganz besonders ausgezeichnet, auf seine Führungsstärke ist immer und immer wieder hingewiesen worden. Wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir die Schlacht wahrscheinlich verloren.«
    Die Sappeure rührten sich nicht. Ihre finsteren Mienen schienen allenfalls noch ein bisschen finsterer zu werden.
    Coltaine trat auf einen Mann zu. Duiker erinnerte sich noch gut an ihn – ein untersetzter, kahlköpfiger, unglaublich hässlicher Sappeur mit einer zerbeulten, schiefen Nase, dessen Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen waren. Unverfroren trug er Teile einer Rüstung, die – wie Duiker erkannte – ursprünglich einem Kommandeur der Apokalypse gehört haben musste; der Helm, der an seinem Gürtel hing, hätte allerdings auch einen Antiquitätenladen in Darujhistan zieren können. Ein anderes

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