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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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herein und hüllte das Lager von dreißigtausend Flüchtlingen in zwei Arten von Stille – die Stille des Landes und des Nachthimmels mit seinen wie Glassplitter glitzernden Sternen, und die Stille der Menschen selbst. Mürrisch dreinblickende Kherahn Dhobri schritten zwischen ihnen einher, doch ihre Gaben und Gesten straften ihren Gesichtsausdruck und ihre Zurückhaltung Lügen. Und es war, als ob sie überall, wohin sie kamen, auch eine Art von Erlösung brachten.
    Duiker saß im dichten Gras unter dem glitzernden Nachthimmel und lauschte den Schreien, die die Nacht zerschnitten und sein Herz schwer machten. Freude mischte sich mit dunkler, brennender Qual, wortlosem Kreischen und hemmungslosem Schluchzen. Ein Fremder hätte glauben können, dass irgendetwas Entsetzliches das Lager heimsuchte, ein Fremder hätte die Erlösung nicht verstanden, die der Historiker hörte, die Laute, auf die seine eigene Seele mit brennendem Schmerz antwortete, sodass er die Sterne anblinzelte, die vor seinen Augen am Himmel verschwammen.
    Die Erlösung, die aus der Errettung geboren wurde, war dennoch schmerzhaft, und Duiker wusste nur zu gut, warum, wusste nur zu gut, was sich von Norden her näherte – eine Unmenge von Tatsachen, denen man nicht entfliehen konnte. Irgendwo dort draußen in der Dunkelheit stand eine Mauer aus menschlichen Leibern in zerfetzten Rüstungen, die Korbolo Dom noch immer trotzten, die diese schreckliche Rettung erkauft hatten und immer noch erkauften. Vor diesem Wissen konnte man nicht davonlaufen.
    Nicht weit von ihm raschelte das Gras, und dann spürte er, wie eine vertraute Gestalt sich neben ihm hinhockte.
    »Wie geht es Coltaine?«, fragte Duiker.
    Neder seufzte. »Die Verbindung ist abgebrochen«, sagte sie.
    Der Historiker versteifte sich. Es dauerte ein Weilchen, ehe er zitternd die Luft ausstieß. »Dann ist er tot?«
    »Wir wissen es nicht. Nil versucht es weiter, aber ich fürchte, dass unsere Blutsbande nicht ausreichen, so erschöpft wie wir sind. Wir haben keinen Todesschrei gespürt, und das hätten wir ziemlich sicher getan, Duiker.«
    »Vielleicht ist er gefangen genommen worden.«
    »Vielleicht. Historiker, wenn Korbolo Dom morgen hier auftaucht, werden diese Kherahn für unsere Abmachung teuer bezahlen. Und sie sind vielleicht auch nicht genug, um … um – «
    »Neder?«
    Sie ließ den Kopf hängen. »Es tut mir Leid, ich kann mir nicht die Ohren zuhalten – sie machen sich vielleicht selbst etwas vor. Selbst wenn wir es bis Balahn, bis zum Arenweg schaffen, sind es von dort immer noch drei Längen bis zur Stadt.«
    »Ich teile deine Befürchtungen. Aber das da drüben – nun, es sind die freundlichen Gesten, siehst du das nicht? Keiner von uns kann sich dagegen wehren.«
    »Die Erlösung kommt zu früh, Duiker!«
    »Möglicherweise, aber wir können verdammt noch mal nichts dagegen tun.«
    Plötzlich hörten sie Stimmen hinter sich. Sie drehten sich um. Eine Gruppe von Gestalten näherte sich ihnen aus Richtung des Lagers. Ein gezischelter Streit war im Gange, der jedoch schnell beigelegt wurde, als die Gruppe herankam.
    Duiker stand langsam auf, Neder tat es ihm nach.
    »Ich will doch hoffen, dass wir nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen sind«, rief Nethpara mit öliger Stimme.
    »Ich würde vorschlagen«, sagte der Historiker, »dass sich der Rat für die Nacht zurückzieht. Morgen wartet ein langer Tag auf uns alle – «
    »Und genau das ist der Grund, warum wir hier sind«, warf Pullyk Alar hastig ein.
    »Diejenigen von uns, die noch immer über ein gewisses Maß an Wohlstand verfügen«, erklärte Nethpara, »waren in der Lage, den Kherahn frische Pferde für unsere Kutschen abzukaufen.«
    »Wir wollen jetzt gleich aufbrechen«, fügte Pullyk Alar hinzu. »Das heißt, unsere kleine Gruppe hier, und uns so schnell wie möglich nach Aren begeben – «
    »Wo wir darauf bestehen werden, dass die Hohefaust Truppen losschickt, um Euch und den Rest zu beschützen«, ergänzte Nethpara.
    Duiker starrte die beiden Männer an, ließ dann seine Blicke über das Dutzend Gestalten hinter ihnen wandern. »Wo ist Tumlit?«, fragte er.
    »Ach, er ist leider vor drei Tagen gestürzt und weilt nicht mehr unter den Lebenden. Wir alle bedauern sein Dahinscheiden zutiefst.«
    Ganz bestimmt. »Euer Vorschlag hat einiges für sich, ist aber abgelehnt.«
    »Aber – «
    »Nethpara, wenn Ihr jetzt aufbrecht, löst Ihr eine Panik aus, und das können wir uns nicht erlauben. Nein, Ihr

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