Im Bann der Wüste
werdet mit dem Rest von uns reisen und Euch damit begnügen, dass Ihr der erste Flüchtling sein werdet, der an der Spitze des Trecks durch die Tore von Aren fährt.«
»Das ist eine Ungeheuerlichkeit!«
»Geht mir aus den Augen, Nethpara, sonst beende ich das, was ich an der Furt über den Vathar begonnen habe.«
»Oh, glaubt bloß nicht, dass ich das auch nur einen Moment vergessen hätte, Historiker!«
»Noch ein weiterer Grund, Euer Ersuchen abzulehnen. Kehrt zu euren Kutschen zurück, schlaft ein bisschen – wir haben morgen einen harten Tag vor uns.«
»Mit Sicherheit!«, zischte Pullyk Alar. »Korbolo Dom ist noch längst nicht fertig mit uns! Jetzt, wo Coltaine tot ist und seine Armee mit ihm, sollen wir unser Leben diesen stinkenden Nomaden anvertrauen? Und dann endet ihr Geleit auch noch drei Längen vor Aren! Ihr schickt uns alle in den Tod!«
»Ja«, grollte Duiker. »Alle, oder keinen. Mehr habe ich nicht zu sagen. Geht!«
»Oho, haltet Ihr Euch jetzt schon für die Wiedergeburt dieses verfluchten wickanischen Hundes?« Er griff nach dem Rapier in seinem Gürtel. »Ich fordere Euch zu einem Duell – «
Das Schwert des Historikers war nur ein verschwommener Schemen, dann knallte die flache Seite der Klinge gegen Pullyk Alars Schläfe. Der Adlige stürzte zu Boden.
»Ich soll der wiedergeborene Coltaine sein?«, flüsterte Duiker. »Nein, ich bin nur ein Soldat.«
Neder betrachtete den schlaff daliegenden Körper. »Euer Rat wird teuer dafür bezahlen müssen, wenn Ihr wollt, dass er geheilt wird, Nethpara.«
»Ich denke, ich hätte fester zuschlagen und Euch das Geld sparen können«, murmelte Duiker. »Und jetzt geht mir aus den Augen. Alle!«
Die Adligen hoben ihren bewusstlosen Sprecher auf und zogen sich zurück.
»Neder, sorg dafür, dass die Wickaner sie im Auge behalten.«
»Ja, Historiker.«
Das Dorf Balahn war eine verwahrloste Ansammlung von niedrigen Lehmziegelhäusern. Es bot vielleicht vierzig Bewohnern eine Heimstatt, doch waren die schon vor Tagen geflohen. Das einzige Gebäude, das nicht mindestens ein Jahrhundert alt war, war der malazanische Torbogen, der den Beginn des Arenwegs kennzeichnete, einer breiten, erhöhten Militärstraße, die auf Dassem Ultors Befehl schon frühzeitig während der Eroberung des Reichs der Sieben Städte gebaut worden war.
Tiefe Gräben flankierten den Arenweg, und dahinter waren hohe Erdwälle mit flacher Kuppe, auf denen auf seiner ganzen Länge von zehn Meilen Zedern in zwei exakt ausgerichteten Reihen wuchsen, die man von Geleen am Ufer der Clatar-See hierher verpflanzt hatte. Auf dem großen freien Platz vor dem Torbogen gesellte sich die Sprecherin der Kherahn zu Duiker und den beiden Waerlogas. »Wir haben die Bezahlung erhalten, und alle Vereinbarungen zwischen uns sind eingehalten worden.«
»Wir danken Euch, Älteste«, sagte der Historiker.
Sie zuckte die Schultern. »Ein einfaches Geschäft, Soldat. Worte des Dankes sind unnötig.«
»Das stimmt. Sie sind nicht nötig, trotzdem wollen wir Euch unseren Dank ausdrücken.«
»Dann will ich ihn gern annehmen.«
»Die Imperatrix wird hiervon Kenntnis erhalten, Älteste, in ehrerbietigster Weise.«
Bei diesen Worten wandte sie den Blick ab. Sie zögerte kurz und sagte dann: »Soldat, eine große Streitmacht nähert sich von Norden – unsere Nachhut hat die Staubwolke gesehen. Sie kommen rasch näher.«
»Oh, ich verstehe.«
»Vielleicht schaffen es ein paar von euch.«
»Wir werden versuchen, dafür zu sorgen, dass es ein paar mehr werden.«
»Soldat?«
»Ja, Älteste?«
»Seid Ihr sicher, dass sich Arens Tore für euch öffnen werden?«
Duiker stieß ein raues Lachen aus. »Darüber mache ich mir erst Gedanken, wenn wir dort sind.«
»In Euren Worten liegt Weisheit.« Sie nickte, griff nach den Zügeln. »Lebt wohl, Soldat.«
»Lebt wohl.«
Kaum fünf Minuten später zogen die Kherahn Dhobri davon; in ihrer Mitte rollten unter schwerer Bewachung die Wagen. Duiker betrachtete das, was er von dem Flüchtlingstreck sehen konnte, der weit über die ausgefransten Ränder des Dorfes hinausreichte.
Er hatte ein beschwerliches, mörderisches Tempo vorgelegt, einen Tag und eine Nacht mit nur kurzen Ruhepausen, und die Flüchtlinge hatten samt und sonders verstanden, was das zu bedeuten hatte:
dass sie erst dann in Sicherheit sein würden, wenn sie sich innerhalb der befestigten Wälle Arens befänden.
Noch drei Längen – wir werden bis zur Morgendämmerung brauchen,
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