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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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der Magier schätzte, dass sie in den vergangenen zwölf Stunden nicht viel mehr als eine Länge zurückgelegt hatten.
    Sie hatten kein Wasser und nichts zu essen. Der Vermummte war ihnen dicht auf den Fersen.
    Felisin packte Kulps zerrissenen Umhang, zog ihn näher zu sich heran. Ihre Lippen waren aufgesprungen, und Sand klebte in ihren Mundwinkeln. »Wir versuchen es trotzdem!«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht recht. Der ganze Hügel könnte einstürzen–«
    »Die Höhlen! Wir gehen in die Höhlen!«
    Ist auch egal, ob wir hier draußen oder da drin sterben. Zumindest geben die Höhlen gute Gräber ab. Er nickte.
    Sie zogen Heboric mit. Die Klippe mit ihrem zerklüfteten, durchlöcherten Antlitz bot ihnen ein Dutzend Möglichkeiten. Sie machten sich nicht die Mühe, eine auszusuchen, sondern tauchten einfach in die erste Höhlenöffnung, an der sie vorbeikamen – einen weiten, merkwürdig glatten Tunnel, der zumindest auf den ersten paar Schritten eben zu verlaufen schien.
    Der Wind war wie eine Hand in ihrem Rücken, er schob sie pausenlos weiter. Dunkelheit hüllte sie ein, als sie inmitten eines Hexenkessels aus Schreien weiterstolperten.
    Auf dem Fußboden hatten sich Kanten gebildet, die das Gehen schwierig machten. Nach vielleicht fünfzehn Schritten kamen sie an eine Stelle, an der Quarz oder ein anderes kristallines Gestein, das dem zerfressenden Wind trotzte, zutage getreten war. Sie suchten sich einen Weg darum herum und fanden auf seiner Windschattenseite den ersten Schutz vor der Gewalt des Wirbelwindes seit über siebzig Stunden.
    Heboric sackte in ihren Armen zusammen. Sie setzten ihn in den knöcheltiefen Staub am Fuß des Quarzfelsens. »Ich würde gern vorgehen und mich umsehen«, erklärte Kulp Felisin. Er musste schreien, um sich verständlich zu machen.
    Sie nickte, ließ sich auf die Knie sinken.
    Weitere dreißig Schritte brachten den Magier zu einer größeren Höhle. Hier gab es noch mehr Quarz. Das kristalline Gestein reflektierte einen schwachen Schimmer, der von einer Decke stammte, die sich fünfzehn Schritt über ihm befand und wie zersprungenes Glas aussah. Der Quarz erhob sich in senkrechten Adern, und die schimmernden Säulen schufen eine Art Galerie von erstaunlicher Schönheit, trotz der Staubschwaden, die der stürmische Wind herantrug. Kulp ging weiter. Das durchdringende, schrille Heulen wurde schwächer, verlor sich in der gewaltigen Höhle.
    Dichter beim Zentrum der Höhle erhob sich ein Haufen übereinander gestürzter Steine; sie waren zu regelmäßig geformt – ungefähr rechteckig –, um natürlichen Ursprungs zu sein. An einigen Stellen waren sie von der glitzernden Substanz bedeckt, die die Decke bildete – immer auf einer Seite, wie der Magier nach einem kurzen Augenblick genaueren Hinschauens feststellte. Er hockte sich hin und strich mit einer Hand über eine dieser Seiten, beugte sich dann noch tiefer. Beim Atem des Vermummten, es ist wirklich Glas! Vielfarbig, zerschmettert und zusammengepresst …
    Er schaute nach oben. Über ihm klaffte ein großes Loch in der Decke, dessen Ränder in dem merkwürdigen, kalten Licht schimmerten. Kulp zögerte kurz, dann öffnete er sein Gewirr. Nichts. Beim Segen der Königin, keine Zauberei – es ist weltlich.
    Tief gebeugt, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten, machte sich der Magier auf den Weg zurück zu den anderen. Als er bei ihnen ankam, schliefen beide oder waren bewusstlos. Kulp musterte sie; er spürte, wie es ihm kalt den Rücken hinunterlief angesichts der gelassen Endgültigkeit, die er in ihren ausgemergelten Gesichtszügen sah.
    Es wäre vielleicht barmherziger, sie nicht aufzuwecken.
    Felisin öffnete die Augen, als ob sie seine Nähe gespürt hätte. Sie begriff sofort, was er gedacht hatte. »So einfach werden wir es Euch nicht machen«, sagte sie.
    »Dieser Hügel ist eine begrabene Stadt, und wir sind unter dem, was da begraben wurde.«
    »Also?«
    »Der Wind ist zumindest in eines der Zimmer gedrungen und hat den Sand herausgeweht.«
    »Unser Grab.«
    »Vielleicht.«
    »In Ordnung, gehen wir.«
    »Es gibt da noch ein Problem«, sagte Kulp. Er machte keinerlei Anstalten, sich von der Stelle zu rühren. »Die Öffnung, durch die wir hineinkönnten, ist ungefähr fünfzehn Fuß über unseren Köpfen. Es gibt da auch eine Säule aus Quarz, aber es wird nicht einfach sein, daran hochzuklettern, schon gar nicht in unserer Verfassung.«
    »Dann macht Euren Gewirr-Trick.«
    »Was?«
    »Öffnet ein

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