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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Kerben entlang des Fußbodens, jede von ihnen groß genug, dass ein Fass hineingepasst hätte. Rostfleckige Haken hingen am hinteren Ende des Raums an Ketten von der Decke. In Felisins Augen wirkte alles stumpf; entweder war es auf eine merkwürdige Weise abgenutzt, oder der Effekt hatte etwas mit Kulps magischem Licht zu tun.
    Sie schüttelte den Kopf, schlang die Arme um den Oberkörper, um das Zittern zu unterdrücken.
    »Das war eine tolle Leistung, da hochzuklettern, Mädchen«, sagte Kulp.
    Sie grunzte. »Und wie’s aussieht völlig sinnlos.« Dafür wird es mich wahrscheinlich umbringen. Ich habe mehr als nur Muskeln und Knochen gebraucht, um hier hochzuklettern. Ich fühle mich … ausgelaugt, leer. Es ist nichts mehr übrig, woraus ich neue Kraft schöpfen könnte. Sie lachte.
    »Was ist?«
    »Wir haben einen Keller gefunden, der sich als Grab eignet.«
    »Ich bin noch nicht bereit zu sterben.«
    »Schön für dich.«
    Sie schaute ihm zu, wie er sich auf die Beine mühte. Er blickte sich um. »Der Raum war einst überflutet. Hier ist Wasser durchgeflossen.«
    »Von wo nach wo?«
    Er zuckte die Schultern und schlurfte langsam und schwerfällig zu den Stufen hinüber.
    Er sieht aus, als ob er hundert Jahre alt wäre. So alt wie ich mich fühle. Zusammen sind wir noch nicht mal so viel wie ein Heboric. Nun, immerhin lerne ich allmählich Ironie zu schätzen.
    Nach einigen Minuten erreichte Kulp die Tür. Er strich mit einer Hand darüber. »Bronzebeschläge – ich kann die kleinen Dellen fühlen, die der Hammer hinterlassen hat, als die Bronze glatt gehämmert wurde.« Er klopfte mit dem Knöchel gegen das dunkle Metall. »Das Holz dahinter ist verrottet.«
    Der Riegel brach in seiner Hand ab. Der Magier murmelte einen Fluch, dann stemmte er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür.
    Die Bronze knackte, bog sich nach innen. Einen Augenblick später fiel die Tür nach hinten, riss Kulp in einer Staubwolke mit.
    »Barrieren sind niemals so stabil, wie man glaubt«, sagte Heboric, als die Echos des Krachs verklungen waren. Er stand da und hielt seine verstümmelten Arme vor sich ausgestreckt. »Ich verstehe das jetzt. Für einen blinden Mann ist sein ganzer Körper ein Geist. Er fühlt ihn, kann ihn aber nicht sehen. Also hebe ich unsichtbare Arme, bewege unsichtbare Beine, und meine unsichtbare Brust hebt und senkt sich mit Atemzügen voller unsichtbarer Luft. Also strecke ich jetzt die Finger, mache eine Faust. Ich bin überall fest – und bin es immer gewesen –, es war alles nur die Täuschung meiner Augen.«
    Felisin wandte den Blick von dem ehemaligen Priester ab. »Vielleicht verschwindest du, wenn ich taub werde.«
    Heboric lachte.
    Vom Treppenabsatz erklangen stöhnende Geräusche von Kulp, dessen Atemzüge merkwürdig schwer und mühsam klangen. Sie stemmte sich in die Höhe, stolperte, als der Schmerz sich wie ein eisernes Band um ihre Knöchel legte. Mit zusammengebissenen Zähnen hinkte sie zur Treppe.
    Die elf Stufen brachten sie an den Rand der Erschöpfung. Sie fiel neben dem Magier auf die Knie und musste eine lange Minute warten, bis ihre Atmung sich wieder beruhigt hatte. »Bist du in Ordnung?«
    Kulp hob den Kopf. »Ich glaube, ich hab mir meine verdammte Nase gebrochen.«
    »So wie du dich anhörst würde ich sagen, du hast Recht. Aber ich gehe davon aus, dass du es überleben wirst.«
    »Und dabei ziemlich laut schnaufen.« Er erhob sich auf Hände und Knie; dicke, staubige Blutfäden hingen von seinem Gesicht. »Kannst du sehen, was da vorn ist? Ich hatte noch keine Möglichkeit nachzusehen.«
    »Es ist dunkel. Und die Luft riecht.«
    »Wonach?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich bin mir nicht sicher. Kalk? Ja, so ähnlich wie Kalkstein.«
    »Keine bitteren Früchte? Ich bin überrascht.«
    Schlurfende Schritte auf den Stufen kündeten von Heborics Ankunft.
    Vor ihnen begann es heller zu schimmern; es bildeten sich verschwommene Schlaglichter, die die Szene vor ihnen langsam der Dunkelheit entrissen. Felisin starrte nach vorn.
    »Du hast angefangen, schneller zu atmen, Mädchen«, sagte Kulp, der den Kopf noch immer nicht heben konnte oder wollte. »Erzähl mir, was du siehst.«
    Heborics Stimme erklang hinter ihnen; er war ungefähr auf halber Höhe der Treppe. »Sie sieht die Überreste eines Rituals, das schiefgegangen ist, das sieht sie. Erstarrte Erinnerungen an altes Pathos.«
    »Skulpturen«, sagte Felisin. »Überall auf dem Boden verteilt – es ist ein großer Raum. Sehr

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