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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Tor.«
    Er starrte sie an. »So einfach ist das nicht.«
    »Sterben ist einfach.«
    Er blinzelte. »Dann sollten wir versuchen, den alten Mann auf die Beine zu bekommen.«
    Heborics Augen waren von Blasen bedeckt und zugeschwollen; er weinte schmutzige Tränen. Nur langsam kam er zu sich und hatte nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand. Sein breiter Mund öffnete sich zu einem gespenstischen Lächeln. »Sie haben es hier versucht, was?«, fragte er und neigte den Kopf, während sie ihm vorwärts halfen. »Haben es versucht und dafür bezahlt, oh, die Erinnerung an Wasser, all die verschwendeten Leben …«
    Sie kamen an die Stelle, über der das Loch in der Decke klaffte. Felisin legte eine Hand auf die Quarz-Säule, die dem Loch am nächsten war. »Ich muss an dem Ding hochklettern wie ein Dosii an einer Kokospalme.«
    »Und wie macht er das?«, wollte Kulp wissen.
    »Ungern«, murmelte Heboric. Er legte den Kopf schief, als würde er Stimmen hören.
    Felisin warf dem Magier einen Blick zu. »Ich brauche Euren Gürtel.«
    Mit einem Grunzen begann Kulp, den ledernen Gurt um seine Hüften zu lösen. »Das ist aber kein besonders guter Zeitpunkt, mich ohne Hosen sehen zu wollen, Schätzchen.«
    »Sehr witzig, wirklich«, erwiderte sie.
    Er gab ihr den Gürtel und schaute zu, wie sie die Lederbänder an den Enden an ihren Knöcheln befestigte. Er zuckte zusammen, als er sah, wie fest sie die Knoten zuzog.
    »Und jetzt brauche ich noch das, was noch von Eurem Regenumhang übrig ist. Bitte.«
    »Wieso? Was ist denn mit deiner Tunika?«
    »Ich lass doch keinen meine Brüste anglotzen – zumindest nicht umsonst. Außerdem ist der Umhang wesentlich fester gewoben.«
    »Es wurde Vergeltung geübt«, sagte Heboric. »Eine methodische, leidenschaftslose Säuberungsaktion.«
    Während er seinen vom Sand zerschlissenen Umhang ablegte, starrte Kulp mit finsterem Gesicht auf den Ex-Priester hinunter. »Was erzählt Ihr da eigentlich, Heboric?«
    »Das Erste Imperium, die Stadt da oben, über uns. Sie sind gekommen und haben die Dinge wieder zurechtgerückt. Unsterbliche Wächter. Was für ein Debakel! Selbst mit geschlossenen Augen kann ich meine Hände sehen – sie tasten so blind, so blind … So leer.« Er sank in sich zusammen, plötzlich von einem Kummer gepeinigt, der ihn bis ins Mark erschütterte.
    »Kümmert Euch nicht um ihn«, sagte Felisin. Sie stand auf und trat an die zackige Säule, als wollte sie sie umarmen. »Die alte Kröte hat ihren Gott verloren, und das hat seinen Verstand durcheinander gebracht.«
    Kulp sagte nichts.
    Felisin schlang den Umhang um die Säule, packte die beiden Enden mit den Händen und zog sie straff. Der Gürtel zwischen ihren Füßen befand sich auf dieser Seite der Säule.
    »Ah«, sagte Kulp. »Ich verstehe. Schlaue Kerle, diese Dosii …«
    Sie hakte den Umhang auf der gegenüberliegenden Seite so hoch sie konnte fest, lehnte sich zurück und sprang mit angezogenen Knien ruckartig ein kleines Stück aufwärts – die Knie angezogen; der Gürtel klatschte gegen die Säule. Kulp konnte sehen, wie der Schmerz sie durchzuckte, als die Lederriemen sich tief in ihre Knöchel gruben.
    »Ich bin überrascht, dass die Dosii Füße haben«, sagte Kulp.
    »Ich vermute, ich habe irgendeine Kleinigkeit falsch gemacht«, gab sie ihm keuchend zur Antwort.
    Wenn der Magier ehrlich war, glaubte er nicht, dass sie es schaffen würde. Noch bevor sie sechs Fuß hoch war – und noch mehr als eine Körperlänge von der Decke entfernt –, waren ihre Knöchel blutüberströmt. Sie zitterte am ganzen Körper, benutzte ungeahnte, jedoch schnell schwindende Kraftreserven. Aber sie gab dennoch nicht auf. Das ist eine verdammt harte Kreatur. Sie übertrifft uns alle, und das immer und immer wieder. Der Gedanke brachte ihn auf Baudin – den Verbannten, der jetzt irgendwo da draußen war und unter dem Sturm litt. Auch so ein harter Bursche, dickköpfig und stur. Wie geht es dir, Kralle?
    Felisin kam schließlich in Reichweite des Lochs. Doch kurz vor dem zackigen Rand zögerte sie.
    Tja, und was jetzt?
    »Kulp!« Ihre Stimme erzeugte schaurige Echos, die jedoch schnell vom Wind davongetragen wurden.
    »Ja?«
    »Wie weit ist es von dir bis zu meinen Füßen?«
    »Vielleicht zehn Fuß. Warum?«
    »Lehn Heboric gegen die Säule. Klettere auf seine Schultern – «
    »Wozu, im Namen des Vermummten?«
    »Du musst irgendwie an meine Knöchel kommen, und dann über mich hinwegklettern … Ich kann nicht loslassen

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