Im Bann des blauen Feuers
sich zu schließen.
„Wie fühlst du dich?“, fragte sie.
„Als wäre ich mit einer Dampfwalze zusammengestoßen“, entgegnete er mit einem schiefen Grinsen.
Sie reichte ihm einen Plastikbecher mit Wasser. „Durst?“
Dankbar nahm er den Becher entgegen, richtete sich halb auf und stürzte das Wasser in einem Zug hinunter. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch. „Das war verdammt knapp“, sagte er schließlich. „Ohne dich wäre ich jetzt vermutlich bereits tot. Klauen und Zähne der Telych sondern ein starkes Gift ab, das bei länger andauerndem Kontakt tödlich wirkt. Du hast mir also das Leben gerettet, Céleste.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein“, widersprach sie. „Meinetwegen hast du dich überhaupt erst in Gefahr gebracht. Dieses Ding war hinter mir her. Du hattest also recht, ich bin in Gefahr. Aber ich kapiere nicht, wieso?“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Was hat das alles zu bedeuten?“
Ash setzte sich jetzt ganz auf. Als er das verletzte Bein bewegte, verzog er kurz das Gesicht, doch der Schmerz schien nicht mehr ganz so schlimm zu sein wie zuvor. Er streckte es auf dem niedrigen Tisch aus und klopfte mit der flachen Hand neben sich auf die Sitzfläche der Couch. „Du solltest dich besser setzen – das hier wird vermutlich etwas länger dauern.“ Als Céleste Platz genommen hatte, sagte er: „Okay, und jetzt erzähl mir von deiner Familie.“
„Du willst etwas über meine Familie wissen?“ Überrascht blickte Céleste ihn an. Dann lächelte sie traurig. „ Eh bien , aber ich fürchte, da gibt es nicht viel zu erzählen. Über meinen Vater weiß ich so gut wie gar nichts. Meine Tante Marie behauptet, er habe meine Mutter im Stich gelassen, noch ehe ich geboren wurde. Er soll Künstler und ziemlich unzuverlässig gewesen sein. Ich nehme an, die Vorstellung, Farbe und Leinwand gegen Windeln und Babynahrung zu tauschen, entsprach nicht gerade dem, was er von seiner Zukunft erwartet hatte.“
Ash nickte langsam. „Was ist aus ihm geworden?“
„Keine Ahnung.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe jedenfalls nie wieder von ihm gehört, obwohl ich, bis ich vierzehn wurde, an jedem meiner Geburtstage gehofft habe, dass er plötzlich vor der Tür stehen würde, um mich zu holen. Von daher hat Tante Marie wohl zumindest in einem Punkt recht: Mein Vater war ein gedankenloser, selbstsüchtiger Egoist. Vermutlich ist es besser so, dass ich ihn niemals kennengelernt habe.“
Einen Moment lang herrschte bedrücktes Schweigen, ehe Ash sich räusperte und fragte: „Und was ist mit deiner Mutter?“
Céleste atmete tief durch. „Sie starb. Ich war gerade einmal anderthalb Jahre alt, da wurde sie in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sie ums Leben kam. Danach hat Tante Marie mich zu sich genommen. Ich erinnere mich so gut wie gar nicht mehr an Maman . Sie hatte eine wunderschöne Stimme, mit der sie mir abends zum Einschlafen Lieder vorsang. Ansonsten ist dies hier“, sie zeigte Ash den schmalen goldenen Ring, den sie stets an einer Halskette bei sich trug, „alles, was mir von ihr geblieben ist.“
„Darf ich mal sehen?“, fragte Ash und hielt die Hand auf.
Céleste zuckte mit den Achseln. „Bien sûr“ , sagte sie, öffnete den Verschluss des Kettchens und reichte es Ash. Der nahm es ihr aus der Hand, umfasste es mit den Fingern ganz und schloss dann die Augen. Eine Weile lang saß er einfach nur schweigend da, mit gesenkten Lidern, so als würde er meditieren. Die plötzliche Stille ließ auch Célestes Adrenalinspiegel allmählich sinken, sodass sie erschrocken zusammenzuckte, als Ash plötzlich scharf einatmete.
„Was?“, fragte sie aufgeregt. „Hast du irgendetwas gesehen?“
„Ihr Name war Antoinette, nicht wahr?“
Erstaunt sah sie ihn an. „Ja, das stimmt. Woher weißt du das?“
Doch er schien ihr überhaupt nicht zuzuhören. Sie fand, dass er immer noch ein wenig wie weggetreten wirkte. So, als würde zwischen ihm und der Realität ein dünner Schleier schweben – hauchzart, und doch stark genug, um ihn zu fesseln.
„Sie war eine schöne Frau“, fuhr er fort. Seine Stimme klang irgendwie anders als sonst. Ein wenig heiser, belegt. „Als du zur Welt kamst, war sie sehr stolz. Sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht, um die Tradition der Familie fortzusetzen. Auch wenn sie aus eigener, leidiger Erfahrung wusste, wie schwer die Bürde war, die ihr kleines Mädchen würde tragen müssen. Doch ihre Schwester
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