Im Bann des Feuers Drachen2
widersetzen ist ein Fehlverhalten. Ich beanspruche die Pflicht, beides zu melden.«
Misutvia lachte, schnaubend und humorlos. Großmutter hatte ganz offensichtlich nicht gesehen, noch hatte man ihr erzählt, auf welche Weise ich die Wand zerstört hatte, sonst hätte sie sich über andere Dinge Sorgen gemacht, statt einfach nur die Pflicht zu beanspruchen, Ungehorsam und Mord zu melden.
Ich ignorierte sie und holte bebend Luft. »Wissen wir, wie diese Festung aussieht?«
»Ich habe mir jeden Gang eingeprägt, durch den ich gegangen bin«, antwortete Misutvia.
»Zeichne sie auf.«
Einige Augenblicke später studierte ich die schimmernden Striche, die sie auf der Oberfläche eines ihrer zerrissenen Ärmel gemacht hatte. Ich deutete auf einen.
»Die Quartiere der Drachenjünger liegen hier, richtig? Zwei Korridore führen dorthin, wenn dein Gedächtnis dich nicht trügt, der hier und der. Beide werden von Wachen kontrolliert, die als Akolythen verkleidet sind. Der Eingang zur Festung dürfte sich vermutlich hier befinden.«
»Wenn Malaban hier ist, führt er uns zum Ausgang.«
»Wir müssen deinen Bruder erreichen und fliehen, ohne die Wachen zu alarmieren. Die Drachenjünger, die hier leben, werden uns alle ermorden lassen, einschließlich deines Bruders, bevor sie zulassen, dass die Wahrheit über diesen Ort ans Licht kommt. Es kümmert sie nicht, wie einflussreich deine Familie ist, Jotan. Sie werden dich nicht lebend entkommen lassen, nach allem, was du über die Drachen weißt.«
»Sie würden Malaban nicht einmal ermorden, wenn sie Angst hätten, dass ich verrate, was man mir angetan hat«, erwiderte sie. »Wenn sie meinen Bruder umbringen, dann würden sie sich den Zorn vieler mächtiger Familien der Händlergilde zuziehen, nicht nur den der Bri.«
Also stimmte es tatsächlich; sie hielt die Drachen nicht für göttlich. Sie glaubte wirklich, dass diese Festung, dass die Bestialität, der wir unterworfen wurden, nur dazu diente, die Macht des Tempels zu stärken, indem er sich von Gift beeinflusste Ratschläge einholte, die Allianzen betrafen, Verschwörungen und Strategien. Sie hatte keine Ahnung, wonach der Tempel tatsächlich suchte.
Ich wusste es besser.
Die Drachen waren göttlich, und die Drachenjünger, die hier stationiert waren, würden niemals eine Frau aus der Viagand entkommen lassen, nur weil sie eine Konfrontation mit einer einflussreichen Händlergilde scheuten.
Der Tempel würde niemals das Risiko eingehen, dass die Kriegerfürsten der Brutstätten durch eine flüchtige Viagand-Frau von dem Ritus erfuhren; dass sie wussten, was geschah, wenn sich eine Frau zu den Drachen legte. Denn ein Kriegerfürst in irgendeiner Brutstätte würde irgendwann das wahre Potenzial hinter diesem telepathischen Austausch erkennen.
So wie Kratt es erkannt hatte.
Nur würden sie im Unterschied zu Kratt wissen, weil Misutvia eine gewöhnliche Frau war, dass jede Frau bei einem giftigen Drachen liegen und sein Lied hören konnte, nicht nur die Tochter des Himmelswächters aus einer fast unbekannten Prophezeiung. Und aufgrund der vielen Drachen, die jeder Kriegerfürst jeder Brutstätte besaß, und wegen der vielen Tausend Rishi-Frauen in diesen Brutstätten, die diese Kriegerfürsten zur Vereinigung mit einem Drachen zwingen konnten, standen die Chancen sehr gut, dass der Tempel der Letzte sein würde, der das Geheimnis des Schlüpfens eines Drachenbullen lüften würde.
Der Tempel wollte ein Monopol auf diese Antwort, um die Macht des Imperators ins Uferlose und Unangreifbare zu steigern. Malaban Bri von Lireh war nur eine lästige Stechmücke, die der Tempel einfach zerquetschen würde.
»Wir wollen nichts überstürzen«, sagte ich zu Misutvia. »Wir wollen das erst genau durchdenken.«
Großmutter bewegte sich. »Es gibt nichts zu durchdenken. Unsere Pflicht ist klar. Wir müssen hier bleiben, was die Drachenjünger ganz eindeutig wünschen.«
Misutvia gab einen erstickten Laut von sich und krümmte in der düsteren, schlammigen Finsternis der Kammer ihre Hände zu Krallen.
Großmutter schmatzte trocken. »Ich hätte nicht hier sitzen bleiben sollen, während ihr den Mord an den beiden Wächtern plantet, die eurer Meinung nach die Tür bewachten. Ich habe meine Pflicht versäumt. Das werde ich jetzt nicht mehr tun.«
Ich starrte auf den aschefarbenen Berg, der Großmutter war. »Was meinst du damit?«
»Ich werde gehen. Und euer Verhalten melden.«
»Das wirst du nicht tun.«
»Du
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