Im Bann des Feuers Drachen2
noch den hellen Bitoo, den mir der Eunuch aus der Viagand vor Monaten gegeben hatte.
Mit Zähnen und Händen riss ich die Kapuze von dem Gewand und kürzte den Saum bis zu meinen Schenkeln. Dann legte ich den roten Vebalu-Umhang an, den der Drachenmeister mir hinhielt.
Als ich die rostige Klammer über meiner linken Schulter befestigte, legte sich die schwere Kette wie eine Henkersschlinge um meinen Hals, direkt unter meine Kehle. Das Gefühl war schrecklich vertraut. Ich erschauerte und sehnte mich einen Augenblick lang nach dem Gift. Im selben Augenblick sah ich meinen Bruder Ingalis vor mir stehen, dessen gehetzte Augen voller Entsetzen schienen; wohlgemerkt, ich sah ihn nicht in meiner Erinnerung vor mir, sondern mit schwindelerregender Klarheit, als wäre er aus Drachenjünger Gens sicherem Zufluchtsort gerissen und vor mir abgesetzt worden. Gleichzeitig breitete sich der starke, pilzige Geschmack von Gens Trank in meinem Mund aus.
Ah. So funktionierte das also. Jedes Mal, wenn ich mich nach dem Gift sehnte, würde ich das Abbild meines misshandelten und entsetzten kleinen Bruders vor mir sehen, welcher der Willkür des Geistes meiner Mutter ausgeliefert war.
Wütend auf Drachenjünger Gen, seinen verzauberten Kräutertrunk, und ebenso wütend auf meine Lust nach Gift und Drachen, ignorierte ich mein Verlangen nach dem Drachenfeuer und konzentrierte mich, so gut ich konnte, auf den Drachenmeister, der vor mir stand.
Er reichte mir einen Prügel.
»Also«, er sah mich an, »du wirst das Ding jetzt benutzen, ja?«
Ich schluckte, erinnerte mich an die wütenden, feindseligen und widerwilligen Blicke der Schüler vom Vortag. Und mir fiel auch mein Schwur ein, niemals einen von ihnen in der Arena niederzuschlagen, niemals ein Leben zu opfern, um meines zu retten.
»Nein«, krächzte ich. »Ich werde ihn nicht benutzen. Nicht, wie Ihr es beabsichtigt.«
Seine Augen traten fast aus den Höhlen. »Bei allem, was heilig ist, besitzt du denn gar keinen Verstand?«
»Ich habe ein Gelübde getan. Und ich werde es halten.«
»Du wirst ihren Hass nicht überleben, Mädchen, mit deinem dummen Schwur! Sie wurden gegen dich aufgehetzt; du hast außer mir keinen Verbündeten in der Arena!«
»Ich werde keinen Schüler opfern. Ich werde keinen Mord begehen.« Aber noch während ich das sagte, regte sich ein gehässiger Zweifel in mir. Ich war nicht mehr so stark wie vor meiner Entführung. Nicht einmal annährend so stark.
»Ich befehle dir, ihn zu benutzen.«
»Nein, Komikon.«
»Ich peitsche dir die Haut vom Rücken, wenn du dich weigerst.«
Ich räusperte mich, während mir die Tränen in die Augen stiegen. »Das dürfte meine Chancen, die Arena zu überleben, schwerlich erhöhen, Komikon.«
Er starrte mich einige Sekunden lang an, mit geballten Fäusten, die krummen Beine gespreizt, während sich seine vernarbte Brust unter seinen erregten Atemzügen hob und senkte. Dann riss er seinen eigenen Prügel vom Boden hoch und hieb ihn hart gegen meinen Rumpf.
Ich sank mit einem Schrei in die Knie.
»Hoch mit dir, Rishi-Balg!«, knurrte der Drachenmeister. »Steh auf und trainiere!«
Ich starrte auf den zähen Schlamm, der wie Lehm zwischen meinen Fingern hindurchquoll, holte bebend Luft und rappelte mich auf.
Ich trainierte hart an diesem Tag, wenngleich nicht annährend so hart wie selbst der jüngste Novize. Dafür verbrachte ich zu viel Zeit zusammengekrümmt, die Hände auf meine Schenkel gepresst, keuchend, wie ein altes Weib mit einer Rippenfellentzündung. Ich war schwach, entsetzlich schwach. Selbst meine besondere Technik mit meinem Umhang schien mir entglitten zu sein, denn ich war nicht annährend so schnell und geschickt, wie ich vor meiner Entführung durch den Tempel gewesen war.
Am Ende des Tages zitterte ich vor Erschöpfung und Bestürzung.
»Ich bete darum, dass der Himmelswächter schnell in der Arena auftaucht«, sagte der Drachenmeister in einer Mischung aus Wut und Ekel, als wir bei Einbruch der Dämmerung das Übungsfeld verließen. »Oder die Hoffnung meines Volkes ist vernichtet.«
»Gebt mir Zeit«, bat ich ihn.
»Wir haben keine Zeit.«
»Dann gebt mir mehr von Gens Trunk.«
»Ein ganzer See von diesem Zeug würde dir nichts nützen, wenn du dich weigerst, dich an die Regeln zu halten.«
Seine Worte ähnelten viel zu sehr denen, die Dono geäußert hatte, kurz nachdem ich in die Lehre des Drachenmeister gekommen war. Du wirst die Arena nicht überleben, Zarq. Es spielt keine
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